Eine Milliarde Menschen hungert

UNO-Sonderbeauftragter: Alle sechs Sekunden stirbt ein Kind an Unterernährung

  • Lesedauer: 3 Min.
Die Zahl von einer Milliarde Hungernder in der Welt, die bis zum Ende dieses Jahres vorausgesagt wurde, ist offenbar bereits erreicht. In der UNO wurde sie jetzt offiziell verkündet.

New York (ND). Über eine Milliarde Menschen leidet unter chronischem Hunger, und die Zahl der Hungernden wächst unablässig weiter. Das erklärte der Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen für das Recht auf Nahrung, Olivier De Schutter, am Montag (Ortszeit) bei einer Debatte der UNO-Vollversammlung.

Alle sechs Sekunden sterbe ein Kind an Unterernährung, so De Schutter in New York. »Das ist nicht akzeptabel, zumal wir als globale Gemeinde genau wissen, welche Mechanismen, Strategien und Maßnahmen die Situation umkehren könnten.« Schuld an der Katastrophe sei unter anderem der »unfaire internationale Handel«, der die erforderlichen Investitionen in die Landwirtschaft seit drei Jahrzehnten vielerorts verhindert habe. De Schutter ermahnte die internationale Gemeinschaft, das System von Grund auf zu ändern und für eine nachhaltige Entwicklung des Anbaus, bessere Bedingungen für Landarbeiter und nationale Strategien gegen den Hunger zu sorgen.

Der Präsident der Vollversammlung, Miguel d'Escoto Brockmann, warnte, dass das Heer der Hungernden unter der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise sowie den Auswirkungen des Klimawechsels noch mehr zu leiden habe als alle anderen.

Im Kampf gegen den Hunger hatte De Schutter bereits in der Vergangenheit eine stärkere internationale Kontrolle großer Nahrungsmittelkonzerne wie Nestlé und Kraft gefordert. Die Macht der multinationalen Firmen auf den sensiblen Lebensmittelmärkten erhöhe sich immer mehr, hatte der UNO-Sonderbeauftragte vor dem Menschenrechtsrat in Genf erklärt. Das bestehende Welthandelssystem sei unfair und benachteilige arme Staaten, die Lebensmittel einführen. »Staaten sollten die Macht in den globalen Marktprozessen kontrollieren«, forderte De Schutter. Die Firmen müssten Rechenschaft über ihre Aktivitäten ablegen. Entwicklungsländer sollten verstärkt selbst Nahrungsmittel produzieren, um sich von der Importabhängigkeit zu lösen.

Vor allem müssten Kleinbauern vermehrte technische und finanzielle Hilfe erhalten. Die stark schwankenden Weltmarktpreise für Lebensmittel würden die armen Länder besonders belasten.

Einer Studie zufolge könnte den Hungernden effektiver geholfen werden, wenn statt kostspieliger Maislieferungen den Bauern die Mittel zur eigenen Anpflanzung zur Verfügung gestellt würden. Das koste bedeutend weniger als importierter Mais aus den USA. Der Wissenschaftler Pedro A. Sanchez von der Columbia University in New York hat ausgerechnet, dass 812 US-Dollar für den Import einer Tonne US-Mais nach Afrika zu bezahlen sind. Saatgut, Dünger und Bewirtschaftung für den eigenen Anbau von einer Tonne Mais sind hingegen in Afrika für 135 Dollar zu haben.

Angesichts der Finanzkrise sei es notwendig, über Alternativen bei der Hungerbekämpfung nachzudenken, so Sanchez. Er forderte, die Entwicklungspolitik müsse sich von dem Augenmerk auf Nahrungshilfen stärker hin zu einer Unterstützung armer Bauern bewegen. Allein die USA hätten 2006 1,2 Milliarden Dollar für Nahrungshilfen für Afrika ausgegeben, aber nur 60 Millionen Dollar für die landwirtschaftliche Entwicklung auf dem Kontinent. 90 Prozent der Hungernden in Afrika seien langfristig vom Hunger betroffen, nur 10 Prozent von kurzfristigen Gründen.

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