Basis, unbekanntes Wesen

Die Linkspartei im Nordosten wählt nach heftigem Streit heute einen neuen Fraktionsvorstand

  • Velten Schäfer, Schwerin
  • Lesedauer: 3 Min.
Mangels Gegenkandidaten wird heute wohl Helmut Holter zum Fraktionschef der Nordost-Linkspartei gewählt werden. Seine Kritikerin Marianne Linke bekommt aber viel Zuspruch von der Basis – sagt sie. Wie sehr es in der Partei wirklich gärt, wird erst der Landesparteitag im Herbst zeigen.

Heute wird die Linkspartei im Nordosten einen neuen Fraktionsvorstand wählen. Trotz der Aufregung der letzten Tage kann als sicher gelten, dass der jetzige Fraktionsvize Helmut Holter neuer Chef wird: Er ist der einzige Kandidat. Die frühere Sozialministerin Marianne Linke, die mit einem scharfen Brief an die Partei vor Holter gewarnt hatte, tritt nicht an.

Fraglich ist, ob nur Linke gegen Holter stimmen wird. Zumindest Barbara Borchardt, Torsten Koplin und Birgit Schwebs werden gemeinhin zum »linken« Flügel gezählt, dem auch Linke zuzurechnen ist. Borchardt möchte zumindest in den Fraktionsvorstand; ihre Bewerbung sagt einiges über die Stimmung im Schweriner Schloss: Sie trete für die »Achtung unterschiedlicher Standpunkte (...) und das Recht, diese öffentlich zu äußern« an.

Schon eine Handvoll Enthaltungen wäre eine Schwächung des Fraktionschefs – und ein Signal an die Partei, die im Herbst einen Landeschef und wohl im April 2010 einen Spitzenkandidaten für die Landtagswahl bestimmt. Im Herbst wird Holter nicht zur Wahl stehen – aber indirekt zur Debatte: Die Kampfabstimmung zwischen dem Rostocker Fraktionschef Steffen Bockhahn und Gerd Walther, dem Kreisvorsitzenden von Peene-Uecker-Ryck, gehorcht einer ähnlichen Fraktionslogik. Bockhahn wird einem Holter-Lager zugerechnet, Walther eher den Kritikern. Kenner der Partei meinen, dass der jetzige Konflikt als Vorbereitung der Vorstandswahlen zu sehen sei: »Die Truppen sammeln sich«. Vom Ausgang dieser Wahlen könnte wiederum abhängen, wen die Partei als Spitzenkandidaten präsentiert. Bisher einziger Bewerber: Helmut Holter.

Marianne Linke sagte der »Jungen Welt«, sie habe viel Zuspruch bekommen. Wie die Sympathien der Partei tatsächlich verteilt sind, ist indes schwer zu ermessen. Zumindest in den Landesmedien ist das der Partei zuzurechnende Leserbrief-Echo auf die Kontroverse um Helmut Holter, das berühmt-berüchtigte Interview im »Stern« und Marianne Linkes Brief geteilt: »Leider hat Marianne Linke recht. (...) Rein menschlich ist Holter kein unangenehmer Typ. Aber seine Verbalinjurien gegen die DDR (und damit auch gegen ihre Bürger) sind nicht entschuldbar«, schrieb ein Rostocker der »Ostseezeitung«.

»Dass die LINKE in MV modern, wählbar und für viele eine neue politische Heimat geworden ist, hängt im wesentlichen mit dem Menschen und Politiker Helmut Holter zusammen«, widerspricht Lars Bergemann aus Wolgast, ein Mitglied des Parteivorstands. Der frühere PDS-Landespolitiker Gerhard Bartels aus Greifswald hingegen unterstützt in einem Brief an die Schweriner Volkszeitung Marianne Linke: »Ich bin auch der Meinung, dass Helmut Holter nicht geeignet ist, die Fraktion (...) zu leiten oder gar als Spitzenkandidat in die Landtagswahl 2011 zu gehen.« Bartels verließ die Fraktion seinerzeit im Streit, spielt in Greifswald aber durchaus eine Rolle.

Ganz anders sieht dies Peter Brill, der Kreischef von Schwerin, den Linkes Brief zu einem Gegenbrief veranlasst hat: Zwar seien Holters Äußerungen zur DDR ein Fehler gewesen, doch habe dieser den Mut gehabt, sich der Kritik zu stellen. Holter aber, wie Linke, zum Verantwortlichen für die Wahlschlappe von 2002 zu machen, sei absurd. »Ich kann uns alle nur auffordern, diesen Streit nicht zu forcieren. Wir haben in den kommenden Wochen Besseres zu tun«, schreibt Brill mit Blick auf die Kommunalwahl im Sommer.

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