Obama sucht einen Obersten Richter

Konservative haben am höchsten Gericht der USA zur Zeit die Mehrheit

  • John Dyer, Boston
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Ernennung eines Nachfolgers für den im Juni ausscheidenden Obersten Richter David Souter wird für USA-Präsident Barack Obama auch ein Test seiner Unabhängigkeit. Die ihn tragenden Gruppen fordern schon die Berufung eines Kandidaten mit Minderheiten-Hintergrund, zumindest aber einer Frau.

Mit der Berufung eines Richters für das oberste amerikanische Gericht, den Supreme Court, steht Präsident Barack Obama schon zu Beginn seiner Amtszeit vor einer großen gesellschaftspolitischen Herausforderung. Nach der Ankündigung des 69-jährigen Verfassungsrichters David Souter, dass er zum Ende der Sitzungsperiode im Juni ausscheiden wolle, begannen die verschiedenen Einflussgruppen, ihre Wünsche anzumelden. Verfassungsrichter werden auf Lebenszeit berufen. Ihre Ernennung bedeutet also auch eine Weichenstellung weit über die Amtszeit des Präsidenten hinaus. Derzeit gelten sieben der neun Richter als konservativ, auch der 1990 von Präsident George H. Bush ernannte Souter. Doch votierte er häufig »liberal«.

Für Obama kann diese Berufung innenpolitisch ein Glücksfall werden, denn er »ist in der seltenen Lage, dass er bei der Auswahl sehr viel Freiheit hat«, erklärte Christopher Eisengruber von der Princeton Universität, Autor eines Buches über die Wahl von Verfassungsrichtern. Der Präsident beruft zwar, doch muss der Senat seinen Vorschlag bestätigen. Seit dort der Republikaner Alan Specter die Seiten gewechselt hat, kann Obama wohl mit der für die Zustimmung notwendigen Mehrheit rechnen.

Der »U.S. Supreme Court« ist die letzte Instanz für US-Amerikaner, die sich in ihren Verfassungsrechten beeinträchtig fühlen. Seine Entscheidungen müssen mit Mehrheit getroffen werden. Es ist also absehbar, dass Obama einen liberalen Richter bestimmen wird, um ein Gegengewicht gegen die konservative Mehrheit zu schaffen. Obwohl er selber Jurist ist, hat der Präsident schon deutlich gemacht, dass er keinen Paragrafenreiter bevorzugt. »Ich werde jemanden suchen, der versteht, dass Gerechtigkeit keine Sache abstrakter Rechtstheorien oder von Fußnoten in Rechtskommentaren ist«, sagte er kürzlich. »Es geht auch darum, wie unsere Gesetze das tägliche Leben der Menschen berühren, ob sie sich ihren Lebensunterhalt verdienen, für ihre Familien sorgen können, ob sie sich sicher in ihrem Heim fühlen und gut aufgehoben in ihrer eigenen Nation.«

Es scheint möglich, dass Obama keinen der amtierenden Bundesrichter bestimmt. Als einer der ersten Namen wird der des ehemaligen Gouverneurs von Kalifornien, Earl Warren, genannt. Hinter den Kulissen hat der Kampf um Einfluss auf die Präsidentenentscheidung schon begonnen. Die Linke plädiert für einen Minderheitenvertreter oder eine Frau. Überfällig wäre aus ihrer Sicht ein asiatischstämmiger oder ein hispanischer Richter. »Wenn Obama keine Frau beruft, wird er bei den politischen Kreisen, die ihm selber wichtig sind, viel zu erklären haben«, meint Harvard-Rechtsprofessor Mark Thushnet.

Die konservative Rechte bereitet sich ebenfalls schon auf einen Kampf gegen jeden Kandidaten vor, der für Homosexuellen-Rechte oder für das Recht auf Abtreibung eintritt. »Der Präsident und die Senatoren müssen sich davor hüten, einen linken Justiz-Aktivisten zu benennen«, erklärte etwa Wendy Long vom konservativen Judicial Confirmation Network. Trotz der absehbaren Mehrheit der Demokraten wollen die Republikaner im Senat nicht von vornherein jeden Kandidaten akzeptieren.

Durch Specters Wechsel stellen die Demokraten derzeit 59 Senatoren. Die Regeln des Senats sehen bei Ernennungsbestätigungen eine notwendige Mehrheit von 60 Mitgliedern vor. Noch ist der Rechtsstreit um die Senatorenwahl in Michigan nicht abgeschlossen. Aber die Demokraten gehen davon aus, dass der Wahlsieg ihrer Kandidaten dort bestätigt werden wird. Dennoch sieht auch der demokratische Senator Charles Schumer aus New York voraus, dass »eine Reihe von Republikanern versuchen werden, jede Berufung des Präsidenten zu verhindern.« Andererseits, so der als moderat geltende Senator Lindsay Graham aus South Carolina, sei die genaue Prüfung der Kandidaten schließlich ihre Aufgabe. Er wolle keinen designierten Obersten Richter unfair behandeln, sagte Graham. »Aber es ist notwendig, ihre Rechtsphilosophie und ihre Erfahrung zu durchleuchten.« Der Präsident will die Nominierung und Senatsbestätigung bis zum August abgeschlossen haben.

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