Gesetzesschutz für sowjetischen Sieg

Russland: Geschichtsfälschern droht Strafe

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 2 Min.
Bis zu drei Jahre Haft und Geldbußen bis zu 300 000 Rubel (fast 7000 Euro) drohen in Russland künftig allen, die die Verdienste der Sowjetunion beim Sieg über Hitlerdeutschland und die Verbrechen der Faschisten leugnen. Auch Ausländer sollen belangt werden, wenn sie solche Straftaten in Russland begehen.

Die russische Staatsduma will das Gesetz dieser Tage beschließen und reagiert damit auch auf Forderungen des Veteranenverbandes. Dessen Vorsitzendem, Alexander Martyschko, geht der Entwurf allerdings nicht weit genug: Eine Verurteilung nach diesen Paragrafen müsse auch die Aberkennung der russischen Staatsbürgerschaft nach sich ziehen.

Auch Menschenrechtsgruppen, die sonst ein sehr kritisches Verhältnis zur Macht haben und auf eine objektive Aufarbeitung der sowjetischen Vergangenheit drängen, unterstützen das Gesetz. Für Verherrlichung des Nationalsozialismus und der Kollaborateure Hitlerdeutschlands, hieß es in einem Bericht des Moskauer Büros für Menschenrechte, dürfe es keinen Pardon geben. Eben das legen die Autoren mehreren ehemaligen Sowjetrepubliken zur Last. Beispiele füllen mehrere Seiten des Reports. Angezählt werden vor allem die Ukraine und die baltischen Neumitglieder von NATO und EU.

So verlieh der ukrainische Präsident Viktor Juschtschenko Roman Schuchewytsch zu dessen 100. Geburtstag im Oktober 2007 postum den Titel »Held der Ukraine«. Schuchewytsch war Chef der so genannten Ukrainischen Aufstandsarmee (UPA), die während der Okkupation der Ukraine zwischen 1941 und 1944 lange auf Seiten der Wehrmacht gegen die Rote Armee und sowjetische Partisanen kämpfte. In Ternopol in der Westukraine wollen die Stadtväter sogar eine Gedenktafel für die 14. (galizische) Waffen-Grenadier-Division der SS anbringen. 1943 aus ukrainischen Nationalisten aufgestellt, kämpfte sie gegen die sowjetischen Truppen. Regelmäßig schänden Nationalisten in der Westukraine Gräber gefallener Sowjetsoldaten und Denkmäler, die ihnen erricht wurden.

Für Ilja Rogatschow, stellvertretender UNO-Botschafter Russlands, ist das nur »ein Glied jener Kette unzähliger Versuche, die Geschichte des Zweiten Weltkriegs umzuschreiben und künftigen Generationen eine profaschistische Ideologie einzuimpfen«.

Ähnlich empört ist Russland über den Umgang der Ostseerepubliken mit der Vergangenheit. So hat Lettland den 8. Mai, den Tag der Befreiung durch die Rote Armee, offiziell zum Volkstrauertag erklärt. Während Antifaschisten verfolgt und vor Gericht gestellt werden, darf die lettische Legion der Waffen-SS regelmäßig zu Gedenkmärschen antreten.

Mit dem neuen Gesetz wolle man »die Erosion des kollektiven historischen Gedächtnisses« stoppen, sagt die Duma-Abgeordnete Irina Jarowa. Der Gedächtnisschwund schreitet indes auch in Russland selbst voran. Neonazistische Organisationen, die – obwohl verboten – schon vor der Krise landesweit geschätzte 80 000 Mitglieder zählten, haben regen Zulauf. Sogar Verehrer von General Andrej Wlassow – einem Überläufer, der als Vaterlandsverräter gilt – wagen sich aus der Deckung. Seit April bemühen sie sich um Erlaubnis, sein Geburtshaus in Lomakinio bei Nishni Nowgorod zur Gedenkstätte ausbauen zu dürfen.

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