Geplantes Monstrum

  • Luc Jochimsen
  • Lesedauer: 5 Min.
Geplantes Monstrum

»Noch ist kein Denkmal vom Himmel gefallen« sagte Staatsminister Bernd Neumann (CDU) am 6. Mai vor dem Bundestagsausschuss für Kultur und Medien, als er die Jury-Entscheidung, das vorgesehene Wettbewerbsverfahren abzubrechen, bekanntgeben musste. »Noch ist kein Denkmal vom Himmel gefallen«, sagte auch Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) und Jury-Mitglied in der gleichen Sitzung gewissermaßen als Trost-Echo und Hinweis auf die schwierige Aufgabe, die nun erst recht auf alle politisch Verantwortlichen zukäme. »Noch ist kein Denkmal vom Himmel gefallen« – als ob es darum ginge!

In Wirklichkeit geht es um eine von den Koalitionsparteien und der FDP im Hauruck-Verfahren durchgezogene Gedenk-Offensive für dieses geschichtsträchtige Jahr 2009, die ohne seriöse fachliche und öffentliche Diskussion im Herbst zu einer pompösen Einweihung in Berlin führen sollte. Wie ein Mantra wird von den Verantwortlichen immer betont, dass das Parlament mit großer Mehrheit beschlossen hat: »Zur Erinnerung an die Friedliche Revolution im Herbst 1989 und an die Wiedergewinnung der staatlichen Einheit Deutschlands ein Freiheits- und Einheitsdenkmal zu errichten, das zugleich die freiheitlichen Bewegungen der vergangenen Jahrhunderte in Erinnerung ruft und würdigt.«

Das stimmt. Doch wie kam dieser Beschluss zustande? Am 9. November 2007 sagte ich im Plenum: »Schnell, schnell, schnell, bloß keine Diskussion, kein Nachdenken, so müsste man den Antrag der Koalitionsfraktionen und der FDP auf Errichtung eines Freiheits- und Einheitsdenkmals überschreiben. Noch nicht einmal der federführende Kulturausschuss hatte vorgestern Zeit für eine Aussprache. Der Antrag wurde per Mehrheit aufgesetzt, angenommen und in einer Weise durchgezogen, die aus meiner Sicht allen parlamentarischen Sitten hohnspricht, und das ausgerechnet bei einem Denkmal, das der Erringung demokratischer Freiheiten in der DDR gewidmet werden soll. Sie merken offensichtlich noch nicht einmal, wie weit Ihr Gebaren von der Atmosphäre und dem Niveau der runden Tische entfernt ist, an denen die Demokratie in der DDR neu geboren wurde.

Und warum? Weil heute der 9. November ist und an diesem Symboltag ein neues Nationalsymbol etabliert werden soll. Basta! Und was soll symbolisiert werden? Einerseits die friedliche Revolution im Herbst 1989 und andererseits die Wiedergewinnung der staatlichen Einheit sowie die freiheitlichen Bewegungen und Einheitsbestrebungen der vergangenen Jahrhunderte. Man merkt sofort: Da sind große Verwischtechniker am Werk, die alles Mögliche zusammenbringen wollen, ohne zu fragen, ob das überhaupt geht. Hauptsache, das Denkmal steht 2009 in Berlin.«

Ich war damals und bin heute noch genauso fest davon überzeugt, dass dieses Denkmal aus ganz durchsichtigen, politischen Gründen von der Idee her so überfrachtet ist, dass es gewissermaßen in sich zusammenbricht, bevor es überhaupt entstehen wird. Die friedliche Revolution von 1989 lässt sich nämlich nicht mit der Wiedergewinnung der staatlichen Einheit Deutschlands 1990 in eins bringen. Beide Vorgänge sind zwei Stufen eines komplexen, internationalen, historischen Prozesses, die nicht unmittelbar aufeinander bezogen werden können. Das glauben nur die, die mittlerweile meinen, Helmut Kohl habe die friedliche Revolution gemacht.

Die Revolution mit dem Ruf: »Wir sind das Volk« ist das Erbe des Ostens, gehört den Bürgerinnen und Bürgern im Osten – singulär. Sie kann weder mit der Einheit von 1990 vermengt werden – noch mit den verschiedenen Freiheits- und Einheitsbestrebungen der vergangenen Jahrhunderte. Kritiker des Denkmal-Wettbewerbs sagen jetzt: »Die Auslobung ist inhaltlich überfrachtet.« Wohl wahr. Aber warum? Ich sage: Da soll Ost-Geschichte gekapert werden, um sie dann als gesamtdeutsches Glück zu verkaufen.

Das wurde spätestens in dem Augenblick ganz klar, als sich der Bundestag zum zweiten Mal mit dem Denkmal zu befassen hatte, mit seiner Finanzierung und Realisierung. Das war am 4. Dezember 2008, als ohne jegliche Möglichkeit zur Debatte in einem Zusatzpunkt zu einer nächtlichen Tagesordnung von Koalition und FDP beschlossen wurde: Das Denkmal kommt auf den Schlossplatz, dort auf den übriggebliebenen Sockel des Kaiser-Wilhelm-Denkmals und darf 15 Millionen Euro kosten. Auf gehts. Wie gesagt: Beschluss ohne Aussprache, Reden zu Protokoll. Damit stand das Unding nun fest und die Auslobung nahm ihren Lauf.

Professor Peter Brandt sagte auf dem von der Linksfraktion am 17. April 2009 in Berlin veranstalteten Kolloquium »Sehnsucht nach Erhöhung – Berlin und seine neuen Denkmäler« ganz offen, dass ein Denkmal zum Gedenken an die friedliche Revolution »nur als ostdeutsches Erinnerungsstück« dem westdeutschen öffentlichen Bewusstsein nicht zuzumuten sei. Das war wenigstens ehrlich. Wie ja auch die ursprüngliche Idee der »Initiative Denkmal Deutsche Einheit« ehrlich war, die erst später zum »Sowohl-Freiheits-als-auch- Einheits-Gedenken« mutierte, um sich dann darüber hinaus noch mit Einheit-und-Freiheit in der deutschen Vergangenheit sowie in Europa heute zu überladen. Kein Standbild hält das aus. Das zeigen die 532 im Kronprinzenpalais ausgestellten Entwürfe ganz deutlich. Selbst der überdimensionierte Einkaufswagen aus dem Supermarkt schafft das nicht und auch nicht die goldene Riesenbanane.

Nein, es wird nichts werden, dieses so geplante Monstrum mit seiner »Versockelung der Revolution« wie Ingo Schulze schrieb, es sei denn, die öffentliche Diskussion findet nun endlich statt, der Standort wird überdacht und vor allem das, was das Denkmal wirklich ausdrücken soll.

Dr. Luc Jochimsen, wurde 1936 in Nürnberg geboren. Von 1975 bis 1985 war sie NDR-Redakteurin des ARD-Magazins »Panorama«. Danach arbeitete sie in London als ARD-Korrespondentin und wurde später Leiterin des Londoner ARD-Fernsehstudios. Von 1994 bis 2001 war Luc Jochimsen Chefredakteurin Fernsehen des Hessischen Rundfunks. Heute ist sie Kulturpolische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag.

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