Der Weg zur Bürgerbahn

Konferenz in Köln fordert Rücknahme von Privatisierungen

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Drei Wochen vor der Europawahl hat sich ein europaweites Bündnis gegen Bahnprivatisierungen formiert. Auf einem Kongress in Köln unter dem Titel »Nächster Halt: Bürgerbahn!« diskutierten Privatisierungsgegner, Gewerkschafter und Bahnfachleute am Wochenende Konzepte einer benutzer- und umweltfreundlichen Eisenbahn.

In einer »Kölner Erklärung« fordern Privatisierungsgegner, Gewerkschafter und Bahnfachleute aus mehreren europäischen Ländern, den seit zwei Jahrzehnten laufenden Prozess der Liberalisierung, Fragmentierung und Privatisierung des Eisenbahnsektors zu stoppen. Nötig seien dagegen »Aufbau und Erhalt einer integrierten Bahn in Bürgerhand«.

»Sicherheit vor Gewinnmaximierung«

Die Erklärung bildete den Abschluss einer Konferenz in Köln, zu der das bundesweite Aktionsbündnis »Bahn für Alle«, die britische Bahngewerkschaft RMT und die nordrhein-westfälischen Grünen eingeladen hatten. Deren verkehrspolitischer Sprecher im Düsseldorfer Landtag, Horst Becker, hatte sich nach dem Radsatzbruch an einem ICE-Zug auf der Kölner Hohenzollernbrücke 2008 intensiv mit dem Zusammenhang zum angestrebten Börsengang der Deutschen Bahn AG (DB) beschäftigt und fordert für die DB »Sicherheit vor Gewinnmaximierung«.

Winfried Wolf von der Expertengruppe »Bürgerbahn statt Börsenbahn« bemängelte, dass als Folge der Privatisierung und Liberalisierung der Bahnen heute faktisch weniger grenzüberschreitender Eisenbahnverkehr in Europa abgewickelt werde als früher. Von der herrschenden Verkehrspolitik sei die Schiene gegenüber der Straße und Luftfahrt immer mehr ins Hintertreffen gedrängt worden. Der Verkehrssektor sei dafür verantwortlich, dass es seit 1990 in Europa keinerlei Reduktion der CO2-Belastung gebe.

Wolf stellte dem Kongress ein investitions- und beschäftigungspolitisches Programm mit dem Titel »Schiene Europa 2025« vor. Dieses zeigt auf, wie vor dem Hintergrund der aktuellen Wirtschaftskrise durch ein Umsteuern im Verkehrsbereich gleichzeitig zukunftsfeste Arbeitsplätze geschaffen und die Belange des Klimaschutzes umgesetzt werden könnten. Europa sei der einzige Kontinent, auf dem die Schiene als Alternative zu Pkw, Kurzstreckenflügen und Lkw-Transporten kurzfristig und massenhaft zum Einsatz kommen könne.

»Der Markt hat versagt. Er hat uns keine Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene gebracht und durch hohe Fahrpreise viele ärmere Menschen vom Bahnverkehr ausgeschlossen«, brachte es Alex Gordon vom RMT-Vorstand auf den Punkt. Die Gewerkschaft hatte erst vor zwei Wochen vor dem Londoner Parlament für die Wiederverstaatlichung der Bahnen und einen Ausbau des Schienennetzes auf der Insel demonstriert. Gordon kritisierte den Kahlschlag an Infrastruktur und Arbeitsplätzen, den der deutsche DB-Konzern derzeit bei seiner britischen Güterverkehrstochter EWS anrichte. Eine künftige transparente Bürgerbahn in öffentlichem Besitz müsse an den Belangen einer breiten Öffentlichkeit ausgerichtet sein und durch Beschäftigte, Fahrgäste und Allgemeinheit kontrolliert werden.

EU-Richtlinien lieferten den Vorwand

Jose Manuel Oliveira von der portugiesischen Bahngewerkschaft SNTSF kritisierte die EU-Richtlinien und »Eisenbahnpakete«, die seit den 1990er Jahren den Druck in Richtung Liberalisierung und Privatisierung verschärft hätten. Diese lieferten einen Vorwand für die nationalen Regierungen.

Der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Peter Conradi bemängelte, dass dem Aufsichtsrat der bundeseigenen DB AG mehrere Vertreter von Auto-, Luftfahrt-, Stahl- und Chemieindustrie angehörten: »Die haben nicht das Wohl der Allgemeinheit im Sinn und gehören da nicht hin.«

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