Zeitenwende?

  • Roland Etzel
  • Lesedauer: 1 Min.

Hunderttausende Demonstranten waren in der Nacht zu Dienstag auf Teherans Straßen, und mindestens ebenso viele drohten es gestern zu werden. Trotzdem begab sich Irans Präsident ganz selbstverständlich zu einer Konferenz nach Russland.

Siegesgewissheit, politischer Leichtsinn oder gar schon überstürzte Flucht? Am wenigsten wohl letzteres. Ahmadinedschads Jekaterinburger Spott-Tiraden auf die am Krisenkarussell schwindlig gewordenen Großmächte lassen keinen Raum für Gedanken an kleinlaute Rückzugsgefechte.

Was immer Ahmadinedschad an den Wahlergebnissen manipuliert haben mag, er fühlt sich seiner Sache sicher. Die akademische und großstädtische Jugend, Journalisten und Künstler wird er mit der tagtäglichen Gängelei durch Religionswächter und Sittenpolizei nicht für sich gewinnen. Doch er hat das konservative flache Land als uneinnehmbare Hochburg.

Wirklich? Was einst als Reflex auf die während der Herrschaft des Schahs erlittene kulturelle Unterwerfung unter die USA folgte – die Verdammung alles Westlichen oder auch nur vermeintlich Unislamischen –, hat 30 Jahre danach keine selbstverständliche Legitimation mehr. Vor allem nicht bei der Jugend, wenn sie über ideologische Indoktrination funktioniert; und schon gar nicht, wenn sie als Technologiefeindlichkeit, gepaart mit kultureller Abkapselung, daherkommt. Das hat auch schon anderen »sieghaften« Ideologien plötzlich die Basis entzogen.

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