Sturm im Posthörnchen

Konflikt zwischen Management und ver.di droht – Streitpunkt sind längere Arbeitszeiten

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Bei der Deutschen Post zeichnet sich eine massive Konfrontation zwischen ver.di und dem Management ab. Auslöser ist die Absicht des Postvorstands, die Beschäftigten im Bereich Briefpost von neuen Tarifverträgen mit längeren Arbeitszeiten ohne Lohnausgleich zu »überzeugen«.

Offensichtlich nimmt das Post-Management jetzt rückläufige Volumina im Briefgeschäft zum Anlass, den Druck auf die Beschäftigten zu verstärken. Das für den Postbereich zuständige ver.di-Vorstands- mitglied Andrea Kocsis hat laut Medienberichten indirekt mit Streik gedroht, falls die aktuellen Tarifverträge gekündigt oder unterlaufen werden. Der Vorstand könne die Arbeitsbedingungen nicht einseitig verschlechtern, weil diese tarifvertraglich geregelt seien, so die Gewerkschafterin. Ein neuer Tarifvertrag könne nur in ordentlichen Verhandlungen zustandekommen, wobei die Gewerkschaft dann auch mit Streiks ihre Position verdeutlichen könne. »Man segelt im Windschatten der Krise mit, um den Beschäftigten an den Kragen gehen zu können. Das ist schamlos«, kritisiert Kocsis. Sie sieht »keinen Millimeter Spielraum« in Sachen Arbeitszeitverlängerung und Aussetzung der bereits vereinbarten drei Prozent mehr Lohn ab 1. November 2009.

Zu den Plänen des Unternehmensvorstands gehört laut ver.di auch die Streichung der Erholungszeiten im Nachtdienst. »Die Post ist kein Sanierungsfall, sondern ein hoch profitables Unternehmen«, gibt auch der hessische ver.di-Landesfachbereichsleiter Detlev Borowsky zu bedenken und erinnert daran, dass der Gewinn allein im Post-Unternehmensbereich BRIEF im Jahr 2008 bei rund 2,1 Milliarden Euro und im 1. Quartal 2009 über 400 Millionen Euro gelegen habe: »Die Beschäftigten sollen also die Zeche zahlen für 10 Milliarden Verlust durch Fehlinvestitionen in den USA, massenweise Fehleinkäufe von Firmen im Speditions- und Logistikbereich und die Bereicherung von Managern.« In diesem Zusammenhang erinnert Borowsky an üppige Boni-Zahlungen und die 20 Millionen Rentenzahlung an den Anfang 2008 zurückgetretenen Vorstandschef Klaus Zumwinkel, die Anfang 2009 öffentlich bekannt wurden.

Der Gewerkschafter kritisiert, dass durch die Bildung größerer Zustellbezirke für alle Zustellkräfte, durch weitere Fremdvergabe, Lohnkürzungen und Outsourcing von Betriebsstätten Qualitätsverluste einträten und die von Medien beklagte »Rückkehr der Schneckenpost« das falsche Signal setzten. Die Post könne im Wettbewerb nur mit hoher Qualität bestehen. Durch Laufzeitverzögerungen bei voll bezahlten Briefen wie auch bei vergünstigten Produkten wie Infopost und Infobrief werde die Deutsche Post DHL schon kurzfristig Kunden verlieren.

Wenn sich in diesen Monaten auch Kommunal-, Landes- und Bundespolitiker quer durch die Bank über den anhaltenden Rückzug der Post aus der Fläche empören und Kommunalparlamente medienwirksam Resolutionen gegen die Schließung von Filialen verabschieden, dann ist bei etlichen Akteuren auch ein Schuss Heuchelei oder zumindest Inkonsequenz mit im Spiel – schließlich stimmte im Sommer 1994 eine erdrückende Bundestagsmehrheit für die Privatisierung der früher unter dem Dach der Bundespost zusammengefassten Bereiche »gelbe Post«, Telekom und Postbank. Durch schrittweisen Aktienverkauf nach dem Börsengang hat der Bund seit dem Börsengang Ende 2000 schon längst seine Anteilsmehrheit bei der Deutschen Post AG verloren; inzwischen hält die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau noch 30,5 Prozent der Postaktien. 63 Prozent befinden sich in den Händen institutioneller Anleger vor allem aus den USA, Großbritannien und Deutschland, den Rest halten Kleinaktionäre.

ver.di und die in ihr organisierten Betriebsräte haben inzwischen ihre Forderungen präzisiert. Sie wollen auf jeden Fall an der Arbeitszeit von 38,5 Stunden für alle und an den im letzten Jahr vereinbarten Lohnerhöhungen festhalten. Zudem sollen Änderungskündigungen und weitere Fremdvergaben etwa in der Zustellung und im Fahrdienst ausgeschlossen werden.

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