Versuchter Handschlag

Ahmadiyya-Gemeinde stellte sich das Leben in ihrer neuen Moschee in Heinersdorf einfacher vor

Noch wird Hand angelegt, ab Montag spielen hier die Kinder.
Noch wird Hand angelegt, ab Montag spielen hier die Kinder.

Am Telefon spricht Abdul Tariq Arabisch, und seine Stimme füllt den Raum. Durchs geöffnete Fenster dringen seine Worte nach draußen. Vor dem Grundstück hören zwei Bauarbeiter für einen Moment auf, mit dem Gummihammer die Betonplatten zu verlegen und schauen herüber. Aus Argwohn? Dieser flüchtige Blick, neun Monate, nachdem die Khadija-Moschee in Pankow-Heinersdorf eröffnet hat, hinterlässt Vermutungen.

Wenn der 62-jährige Imam redet, dann holt er weit aus, um die Grundsätze der Reformgemeinde zu erklären. Seine zentrale Bezugsperson ist der Kalif Hadhrat Mirza Tahir Ahmad, dessen Namen er oft zitiert und wie einen Automatismus spricht. Seiner Stimme verleiht das eine Melodie. Als die Pläne für den Bau der Moschee öffentlich wurden, gab es einen Aufschrei. Es gründete sich eine Interessengemeinschaft Pankow Heinersdorfer Bürger (IPAHB), die sich gegen den Bau aussprach. Die NPD organisierte im April 2006 eine erste Demonstration. Unter die Teilnehmer mischte sich auch der Christdemokrat Bernhard Lasinski und sorgte damit für einen Eklat. Kurz darauf verließ er die CDU, um einem Parteiausschluss zuvorzukommen. Der Konflikt um den Moscheebau eskalierte, als Naziparolen auf die Kuppel geschmiert wurden und gegen das Wohnhaus des CDU-Politikers und Moscheegegners René Stadtkewitz ein Brandsatz geschleudert wurde.

Imam Tariq war überrascht von der Heftigkeit der Proteste. Die Ahmadiyya-Gemeinde hatte zuvor in Reinickendorf ein Gemeindezentrum, das jedoch zu klein wurde. »Es war Zufall, dass wir in Heinersdorf ein passendes Grundstück gefunden haben«, erklärt er. Keinesfalls Wunsch oder gar Berechnung. Berlins Nordosten war für die Muslime Neuland.

Mittlerweile ist Lasinski zur CDU zurückgekehrt, die Wogen scheinen geglättet. Darauf hat Bezirksbürgermeister Matthias Köhne (SPD) auch gehofft. Wenngleich die Bürgerinitiative das Geschehen auf dem Moscheegelände noch immer misstrauisch beobachtet. So ist auf der IPAHB-Homepage nachzulesen, wie im Mai zwei Busse aus Hamburg vorfuhren und Frauen ausstiegen – »von Kopf bis Fuß bis zur Unkenntlichkeit schwarz vermummt«.

Die Moschee ist täglich für Besucher geöffnet. Einmal hat Imam Tariq den IPAHB-Vorsitzenden Joachim Swietlik in die Moschee eingeladen. Swietlik lehnte ab, weil er nicht zusammen mit seiner Frau kommen könne. Eine Geschlechtertrennung sei jedoch wichtig für einen respektvollen Umgang miteinander, meint Abdul Tariq. Die Skeptiker sehen darin eine Unterwerfung unter das Patriarchat. René Stadtkewitz erzählt gar von »Aussteigern«, die emotionale Hilfe benötigten. Auch Bürgermeister Köhne möchte nicht wie ein Gemeindemitglied der Ahmadiyya leben, verteidigt aber die Religionsfreiheit. Und Imam Tariq wird nicht müde zu erklären, dass seine Gemeinde das Grundgesetz anerkenne. Ohne Zweifel, das Leben in der neuen Moschee hat er sich einfacher vorgestellt.

Am Montag weihen Köhne und Abdul Tariq gemeinsam einen Spielplatz ein, den die Ahmadiyya-Gemeinde neben der Moschee errichtet hat. Symbolisch wollen die Muslime den Heinersdorfern die Hand reichen. Gegen den Spielplatz hat auch Joachim Swietlik bislang nichts vorzubringen: »Der Imam hat die Kinder noch nicht zum Beten abgeholt«, sagt er.

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