Früher war alles besser – an der FU stimmt das

Studenten der Freien Universität Berlin haben einen alternativen Blick auf 60 Jahre Uni-Geschichte geworfen

Die Freie Universität (FU) Berlin wurde von Studenten gegründet, die spätere Generation hat ihre Geschichte aufgeschrieben und als Buch veröffentlicht.

Manche, die in der DDR aufgewachsen sind, können die Freie Universität nicht leiden. Sie sehen in ihr ein Symbol für antikommunistische Propaganda, einen Spaltpilz und Angriff auf ein neues sozialistisches Deutschland. Schon der Name ist Provokation. Der bewegten Geschichte dieser Hochschule wird diese Sicht freilich nicht gerecht. Gegründet 1948 in Abgrenzung zur Universität Unter den Linden hatte diese die Konkurrenz im amerikanischen Sektor Berlins unfreiwillig selbst mit auf die Welt gebracht. Denn die Initiative ging von Studenten an der Ostberliner Uni aus, die mit der zunehmenden politischen Indienstnahme der Hochschule nicht einverstanden waren. Und anders als oft kolportiert, waren unter ihnen viele Antifaschisten – viele jüdischer Herkunft, die nur knapp der Vernichtung entkommen waren –, die nach der Befreiung vom Faschismus einen wirklich demokratischen Neuanfang suchten und diesen Unter den Linden nicht fanden. Die Idee der Gründer, eine demokratische selbstverwaltete Uni aufzubauen, geriet jedoch auch im Westen bald ins Hintertreffen.

Dem 60. Jubiläum der Freien Universität im letzten Jahr widmete sich eine Reihe von Darstellungen, neben offiziellen auch einige kritische. Der AStA der FU hat unter dem bezeichnenden Titel »Gegendarstellungen« eine alternative Geschichtsschreibung aus Sicht der Kämpfe um eine demokratische Universität verfasst. Aus einer stärker wissenschaftlichen Perspektive nähert sich der Band »Geschichte der Freien Universität«. Das Buch entstand aus einem Seminar des linken Geschichtsprofessors Wolfgang Wippermann. In gründlich recherchierten Beiträgen befassen sich die Nachwuchswissenschaftler mit Ereignissen, Orten und Personen, die zusammen die FU prägten: von den Geldnöten in den Anfangsjahren, über diverse Affären, Drittelparität und UniMut-Streik bis zur heutigen Schrumpfversion; von den Gründungsstudenten zu Horst Mahler und Eberhard Diepgen, Helmut Gollwitzer und Friedrich Meinecke, und nicht zu vergessen die Dahlemer Villen, die Rost- und Silberlaube, die der FU das typische Gesicht geben.

Die Ereignisse an der FU spiegeln immer mehr als lokale Entwicklungen wider. Das Jahr 1968 in der Bundesrepublik ist ohne Rudi Dutschke und die Studentenbewegung an der FU nicht denkbar. 20 Jahre später gab es das bis jetzt letzte große Aufbäumen der Studierenden. Nach dem UniMut-Streik 1988/89 sehen alle folgenden Proteste der jüngeren Geschichte nur noch blass aus. Damals legten die Studierenden den normalen Lehrbetrieb faktisch ein ganzes Semester lang lahm. Studentische Cafés, Fachschaftsinitiativen und Projekttutorien blieben dennoch die einzigen dauerhaften Ergebnisse eines eigentlich viel umfassenderen Demokratisierungsanspruchs. Gerade der Rückblick lässt die Gegenwart nur noch mehr als Verfallsgeschichte erscheinen. Auch wenn die FU ganze vorne dabei war, als es an die Durchsetzung des Bologna-Prozesses ging, und nun den Exzellenztitel vor sich her trägt.

Eine der wenigen erfreulichen Entwicklungen ist, dass Seminararbeiten heute als Bücher erscheinen und nicht nur in der Ablage verschwinden.

Jessica Hoffmann, Helena Seidel, Nils Baratella (Hg.): Geschichte der Freien Universität Berlin. Frank und Timme Verlag, Berlin 2008, 307 Seiten, 29,80 Euro.

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