Die DDR als »Karikatur einer Diktatur«
Zum Tode des Karikaturisten Peter Dittrich
Ein Nachruf auf Peter Dittrich muss sein wie eine seiner Zeichnungen. Prallvoll mit Details und hintergründig pointensicher. Von der kratzbürstigen Schärfe des Schwächenverächters, gemildert von der Nachsicht des Menschenkenners. Gar nicht so leicht, bei diesem Mann des Jahrgangs 1931. Dessen persönliches Leben von hermetischer Zurückgezogenheit geprägt war. Hellwach überdeutlich erlebte Vorkriegskindheit und Kriegsjugend im böhmischen Teplitz-Schönau. Vollgetankt mit dem Milieu waffenstarrender Militanz als unerschöpflichem Reservoir für spätere politische Zeichnungen.
Die in uralter Handwerkertradition verwurzelte Familie verschlägt es bei Ausweisung aus der Heimat in den Westen nach Süddeutschland. Der aufgrund des Erlebten hoch politisierte Peter fasst dagegen im Osten Fuß. Zuerst im Teplice nahen Dresden, dann in Ostberlin. Die dortigen Kunstakademien sehen ihn kaum mehr als einen Gast. Gleich Louis Rauwolf aus Marienbad und Hannes Hegen(barth) aus Reichenberg gehört er bald zur böhmisch bestimmten Südflanke der Zeichnermannschaft des »Frischen Wind«. Schnell wird er zum Spezialisten für heiter-agitatorische Bewältigung diffiziler politischer Zusammenhänge. Führend bei der Umwandlung des Witzblatts in die angesehene Zeitschrift »Eulenspiegel«. Immer einsatzfähig für schnelle redaktionelle Aufträge, die er in guter deutscher Akkuratesse ausführt und mit witzigen Details spickt.
Unentbehrlicher Teilnehmer der Redaktionssitzungen. Mit krähender dialektfarbener Stimme unter dem schallenden Gelächter der Umsitzenden Pointen in die Runde schleudernd. Damit beweisend, dass auch der Wortwitz seiner Blätter Originalton Dittrich war. Über 7000 Stück von 1953 bis 1991. Davon 286 Titelblätter. Geliefert jeweils pünktlich aus Strausberg, seit 1971 aus Eggersdorf bei Berlin. Wo er bis zuletzt völlig isoliert einen Lebensabend ohne Zeichnen verlebte.
Einst hatte ihn eine Redaktionsmaschinerie fast aufgesogen. Dann zutiefst enttäuscht und verletzt ausgeschieden. 2004 resümierte er rückschauend im einzigen mit ihm geführten Interview: »Ich will nicht bestreiten, dass Satire noch Wirkung erzielte – aber immer nur im Einzelfall.« Und ganz aktuell: »Die DDR war ja weniger eine Diktatur als die Karikatur einer Diktatur«.
Peter Dittrich ist, wie erst jetzt bekannt wurde, am 10. August im Alter von 78 Jahren einem Krebsleiden erlegen.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.