Klinikchef Münte

  • Jürgen Reents
  • Lesedauer: 2 Min.

Ist die Große Koalition ein Krankheitsbild? Hat sich SPD-Finanzminister Steinbrück, der ihre Fortsetzung nach dem 27. September für möglich hält, bereits infiziert? Sein Parteivorsitzender Müntefering, nebenbei Klinikchef der Republik, diagnostizierte mit Seitenhieb auf ihn: Die Koalition von SPD und CDU ist »aus demokratie-hygienischen Gründen auf Dauer nicht gut«. Sieht man vom obskuren Begriff Münteferings ab, bleibt die Frage, warum er einst so heftig für diese Affäre geworben hat. Vor vier Jahren trat er – O-Ton auf dem Karlsruher SPD-Parteitag, der den Koalitionsvertrag absegnete – »mit Leidenschaft für das Wünschenswerte« ein, SPD und Union würden »Blockaden überwinden« und die Koalition werde »zum Nutzen der Menschen« sein. Aber was kümmert ihn, was er gestern sagte? Mit der FDP verfährt Müntefering nicht anders: Jahrelang erschien sie ihm als die weit gruseligere Variante, sie müsse aus der Regierung ferngehalten werden. In Westerwelle sah er – nicht zu Unrecht – eine Art Croupier im Casino-Kapitalismus. Nun umwirbt er ihn mit süßem Lächeln: Die FDP habe in einem Ampelbündnis mit der SPD und den Grünen »ein größeres Alleinstellungsmerkmal, als wenn sie mit CDU und CSU unterwegs wäre«. Na fein, die Marktradikalen dürften sich also unter sozialdemokratischer Führung mit mehr Narrenfreiheit präsentieren, als die Union ihr zugestehen will? Es ist zu befürchten, dass Müntefering es genauso meint.

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