Ölmilliarden für Zuckerrohrsprit

In Brasilien entstehen zahllose neue Plantagen und Ethanolfabriken

  • Lesedauer: 3 Min.
Von Norbert Suchanek, Rio de Janeiro

Internationale Investoren sorgen in Zentralbrasilien für einen wahren Zuckerrohr- und Ethanolboom. Umweltschützer warnen.

Die indische Brechnuss, Jatropha curcas, ist out; Zuckerrohrethanol ist in. So zumindest sieht es der britische Erdölkonzern BP, der nun aus einem Joint Venture mit dem Unternehmen D1 ausgestiegen ist, das 220 000 Hektar Jatropha-Biodieselplantagen in Afrika und Asien umfasst. British Petroleum investiert stattdessen in großem Maßstab in Zuckerrohrplantagen und Ethanolfabriken in Brasilien. In den kommenden zehn Jahren sollen sechs Milliarden US-Dollar in das brasilianische Biospritbusiness gepumpt werden. Die erste Milliarde ist für den Ausbau von Plantagen und Ethanolproduktion im zentralbrasilianischen Bundesstaat Goiás vorgesehen.

Doch dafür erntet BP heftige Kritik von Umweltschützern. Die hier wie Pilze aus dem Boden schießenden Zuckerrohrplantagen gingen zu Lasten der Nahrungsmittelproduktion, warnt »Rettet den Regenwald« in einer E-Mail-Aktion. »Während die Front der Rinderzüchter und Sojafarmer weiter nach Norden in die Cerrado-Savanne und Regenwaldgebiete getrieben wird, dehnt sich die grüne Zuckerrohrwüste in Goiás bereits auf 458 000 Hektar aus. Etwa 60 000 Hektar davon gehen auf das Konto von BP's Ethanolraffinerie.« Auch die Landpastorale kritisiert in einer aktuellen Studie: »Außer der Zerstörung von Urwald, vor allem Cerrado, übernahm die Zuckerrohrindustrie Flächen zur Nahrungsmittelproduktion und Rinderweiden, was konsequenterweise zum Voranschreiten der Agrarfront nach Amazonien führt.«

Die Präsidentin des Instituto Sociedade, População e Natureza (ISPN), Andréa Lobo, ist besorgt über die unkontrollierte Ausweitung der Ethanolplantagen in den Cerrado-Regionen. Die Zerstörung schreite mit einer Geschwindigkeit von etwa 22 000 Quadratkilometern pro Jahr voran, kritisiert die Anthropologin. Selbst für Biodiversität und Naturschutz extrem wichtige Gebiete seien bedroht. »Die Abholzung des Cerrado für Zuckerrohr schädigt direkt die ländlichen Bevölkerungen, die von der nachhaltigen Nutzung der Biodiversität des Cerrado leben«, so Lobo.

In Goiás stehen laut offiziellen Zahlen schon 27 Ethanolfabriken. Weitere 28 Raffinerien sind bis 2012 geplant. Insgesamt liegen der Landesregierung 97 neue Ethanolprojekte zur Prüfung auf steuerliche Vergünstigungen vor.

Hauptgrund für den Boom in den Cerrado-Regionen von Goiás, Mato Grosso do Sul und Minas Gerais sind Umweltschutzgesetze, die lediglich Papiertiger sind, sowie ausreichende Wasservorkommen. Auf die für den Maschineneinsatz tauglichen ebenen Flächen haben vor allem internationale Investoren ein Auge geworfen. Denn statt auf menschliche Arbeitskraft – wie in den traditionellen Zuckerrohrregionen in Südost- und Nordostbrasilien noch üblich – setzen die neuen Ethanolbarone wie BP auf weitgehende Mechanisierung, um sich nicht dem Vorwurf ausbeuterischer Niedriglöhne aussetzen zu müssen. Laut Konzerninfo werde die erste Ernte in der kommenden Saison – geschätzte 2,4 Millionen Tonnen Zuckerrohr – zu 100 Prozent mit Maschinen eingefahren.

Doch mit der Industrialisierung von Zuckerrohranbau und Ernte wird der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben. Denn trotz aller berechtigter Kritik an oft sklavenähnlichen Bedingungen ist die saisonale Arbeit auf den Zuckerrohrfeldern für hunderttausende Brasilianer die einzige Erwerbsquelle. Die Mechanisierung sei »ein Weg ohne Rückkehr«, meint Sérgio Prado, Direktor der Zuckerrohrethanolindustrie in der Region Ribeirão Preto.

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