DDR-Kunst in der Markthalle

60 Werke kommentieren den Aufbau des 30 Jahre alten Bezirks Marzahn

  • Uta Herrmann
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein aufmerksamer Blick für die »Großbaustelle Biesdorf-Marzahn« (1979, Öl) von Günther Bredel .
Ein aufmerksamer Blick für die »Großbaustelle Biesdorf-Marzahn« (1979, Öl) von Günther Bredel .

Nein, kaufen kann man keines der 60 Kunstwerke von 13 Malern und Grafikern, die die Aufbaujahre Marzahns künstlerisch begleitet und kommentiert haben – auch wenn sie in einer Markthalle an den Wänden und eigens für sie aufgestellten Baugerüsten hängen. Sie anzusehen lohnt sich jedoch in mehrfacher Hinsicht. Die Gelegenheit dazu gibt es noch bis zum 11. Oktober.

Als Leihgabe des Kunstarchivs Beeskow sind die Bilder selten für jedermann sichtbar. Dort lagern sie ordentlich verpackt im gesicherten und klimatisierten Speicher der Burg. Im Archiv, das sich als Dokumentationsstelle zur Bildenden Kunst in der DDR versteht, befinden sich heute etwa 23 000 Objekte. Das sind vor allem Gemälde, Grafiken, Zeichnungen und Aquarelle, aber auch Fotografien, Plastiken, Kunstgewerbe und Medaillen. Sie gehörten vor 1989 den Parteien, Massenorganisationen oder staatlichen Einrichtungen und waren größtenteils in öffentlichen Gebäuden wie Erholungsheimen, Schulungszentren oder Speisesälen zu finden.

Einst als »Sondervermögen« in die Treuhandverwaltung übergegangen, werden sie nun in Beeskow verwaltet. Hier befindet sich mit den Anteilen aus Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern der Hauptteil der DDR-Kunstwerke. Genutzt wird der wertvolle Bestand u.a. für die wissenschaftliche Erschließung aber auch für kulturelle Veranstaltungen.

Mitarbeiter des Zentrums für Kultur- und Zeitgeschichte haben in der Beeskower Burg weit mehr als hundert Kunstwerke zur Marzahner Aufbauzeit gesichtet und einige ausgewählt. Die Ausstellung nun mit den 60 bildkünstlerischen Werken bietet Auskünfte zur Regional- und Heimatgeschichte und mit ihren älteren Stadtansichten und Einblicken in frühere, heute überwiegend nicht mehr sichtbare Landschaften einen historischen Zugang zum Stadtbezirk. Die Ölgemälde von Günter Brendel, die Siebdrucke von Goran Djurovic, Ölpastelle von Dietrich Noßky oder die Radierungen von Wolfgang Domröse dokumentieren den Aufbau Marzahns vor über 30 Jahren und zeigen die Ausmaße der Veränderungen. Der 1940 in Berlin geborenen Maler Siegfried Schütze erinnert sich gut, »dass der Einfluss des Klassizismus selbst beim Arbeiten auf der Marzahner Baustelle spürbar ist«. Hatte er sich doch zuvor bei seiner Mitarbeit am Schauspielhaus intensiv mit dem Schaffen Schinkels befasst.

Die Ausstellung ist nicht nur heimatgeschichtlich, sondern auch kunstgeschichtlich interessant. Die viele Jahre nicht in der Öffentlichkeit gesehenen Bilder weisen nicht nur hohes künstlerische Niveau auf. Sie zeigen auch die Vielfalt künstlerischer Techniken und Formen und geben einen Einblick in ein Jahrzehnt DDR-Kunst. Darüber hinaus erzählen Malerinnen und Maler – darunter Theo Balden und Heidrun Hegewald – in Videointerviews von ihrer Arbeit in der DDR und die Produktion danach. Eine kleine Presseschau aus dem Zeitgeschichtlichen Archiv mit Artikeln aus der deutschsprachigen »Westpresse« zur Kunst und Kultur in der DDR ergänzen Interviews und Gemälde.

Der Veranstalter, das im Herbst 2007 gegründete Zentrum für Kultur und Zeitgeschichte, nutzt das Archiv mit einer der größten Sammlung historischer Presseartikel für wissenschaftliche Projekte und Bildungsarbeit oder wie hier in der Marzahner Markthalle zur Ausrichtung von Ausstellungen. Auf 20 Tafeln gibt das Zentrum Auskunft zur Themenvielfalt des Archivs und seiner Nutzung.

Bis zur Finissage mit einer »ApeSuit«-Performance begleiten die Ausstellung in der Markthalle Veranstaltungen wie Konzerte, Lesungen, Puppentheater mit »Rumpelstilzchen« für die jüngeren Marzahner am 6. und 7. Oktober, 10 Uhr, oder für die älteren eine Gesprächsrunde am 7.10., 18 Uhr, mit Kriminaloberst a.D. Ralf Romahn zur Prävention im Wandel der Zeit.

Täglich 12 bis 20 Uhr, Markthalle Marzahn, Blumberger Damm 130. Eintritt frei. Tel: 93 02 28 31, www.zeitgeschichte.de

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