Ärztinnen auf dem Vormarsch

Viele Chefposten in Gynäkologie-Kliniken bleiben dennoch unbesetzt

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 2 Min.
Zu einem Fort- und Weiterbildungskongress versammelten sich kürzlich 1300 Ärztinnen und Ärzte der Gynäkologie und Geburtshilfe in Berlin. Zeitgleich tagte auch das Forum operativer Gynäkologie (FOG). Neben fachlichem Austausch bewegt die Mediziner insbesondere die Frage des beruflichen Nachwuchses, verbunden mit der unübersehbaren »Feminisierung« der Frauenheilkunde.

In der Gynäkologie ist der Frauenanteil bis heute auf fast 80 Prozent gewachsen, eigentlich fast logisch, da ausschließlich Patientinnen versorgt werden. Nun wird dennoch die Personaldecke dünn, denn laut Rolf Kreienberg, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V. (DGGG), bleiben zur Zeit in der ganzen Republik 53 entsprechende Chefarztstellen unbesetzt, für noch mehr ausgeschriebene Oberarztstellen finden sich keine Bewerber. Der Ulmer Frauenarzt befürchtet deshalb in absehbarer Zeit Klinikschließungen. In einer Gesamtrangliste der freien Medizinerstellen steht die Frauenheilkunde an zweiter Stelle.

Abhilfe schaffen sollen nun mehrere Ansätze: Zunächst wollen die Gynäkologinnen ein neues Berufsbild schaffen, welches Familie und Karriere besser vereinbaren lässt. Dazu zählen auch flexiblere Teilzeitregelungen, wie die Möglichkeit, Weiterbildungen in Teilzeit zu absolvieren. Mehr Kinderbetreuungsplätze und die Möglichkeit individueller Verträge sollen Fachärztinnen an den Kliniken halten und zur Qualifikation ermutigen.

Kerstin Rhiem, Kölner Oberärztin, verweist darauf, dass sich Frauen offensichtlich in einem Beruf mit hohem sozialen Engagement eher verwirklichen können als Männer. Frustrierend sei für die Berufsanfängerinnen dann der hohe Bürokratieaufwand, der in der Branche allgemein beklagt wird. Er müsse wieder einer ärztlichen Definition der Tätigkeit Platz machen.

Zunehmend fehle auch für den ärztlichen Nachwuchs der verantwortliche Oberarzt im Hintergrund, zu schnell seien die Assistenzärzte auf sich allein gestellt, so Rhiem. In der Fachgesellschaft werden jetzt ärztliche Mindestbesetzungen für bestimmte gynäkologische Leistungen bestimmt, um angesichts steigenden Effizienzdrucks im Gesundheitswesen medizinische Grenzen aufzuzeigen.

Der fehlenden Ausbildung durch Oberärzte soll die Deutsche Akademie für Gynäkologie und Geburtshilfe (DAGG) gegensteuern, die erst 2007 angesichts der Misere gegründet wurde und auch Veranstalter des Berliner Kongresses war. Zu den laufend angebotenen Kursen für die Facharztweiterbildung gehören Themen wie Pränatalmedizin, fachspezifische Krebsheilkunde oder Reproduktionsmedizin.

Auf dem Berliner Fortbildungskongress spielten auch neue Entwicklungen eine große Rolle: Denn ob Ärztin oder Arzt, im operativen Bereich haben sich die Fachleute mit den wachsenden Möglichkeiten der minimalinvasiven Techniken auseinanderzusetzen. 90 Prozent der gynäkologischen Eingriffe können heute schon mit nur kleinsten Gewebsverletzungen durchgeführt werden. In Berlin vorgestellt wurden außerdem neu entwickelte Fremdmaterialien, etwa für die Versorgung von Frauen mit einem Vorfall der Gebärmutter oder nach brusterhaltenden Krebsoperationen.

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