Wien will Deserteure rehabilitieren

Parteienmehrheit einig über Gesetzentwurf

  • René Heilig
  • Lesedauer: 2 Min.

Es hat Jahrzehnte gedauert: Nun, nachdem in Deutschland die letzten historischen Hürden gegen Recht und Anstand gefallen sind, bequemt sich auch die Republik Österreich. Seit Mitte der Woche gibt es einen mehrheitsfähigen Gesetzesentwurf für eine Generalrehabilitierung von Wehrmachtsdeserteuren und Opfern der nationalsozialistischen Unrechtsjustiz. Auch Verurteilungen homosexueller Handlungen und »Verurteilungen mit typischem NS-Unrechtsgehalt« werden in der von SPÖ, ÖVP und Grünen präsentierten Einigung berücksichtigt.

Ein »Aufhebungs- und Rehabilitationsgesetz« soll alle in der Nazizeit gefällten Urteile des Volksgerichtshofs, der Standgerichte und der diversen Sondergerichte kassieren, die Österreich und seine Bürger berühren. Ebenso berücksichtigt werden Sprüche des sogenannten Erbgesundheitsgerichts, das Zwangssterilisierungen und -abtreibungen angeordnet hatte, sowie Urteile von Militär- und SS-Gerichten. Erstmals sollen bei der Aufhebung der Urteile auch ausländische Staatsbürger berücksichtigt werden.

Rehabilitiert werden laut abgestimmtem Gesetzestext »alle Opfer gerichtlicher Unrechtsentscheidungen« sowie jene, die »Akte des Widerstandes gesetzt und etwa als Widerstandskämpfer oder insbesondere als Deserteure« zur »Schwächung und Beendigung« des NS-Regimes »sowie zur Befreiung Österreichs beigetragen haben«.

Ein striktes Nein zur generellen Rehabilitierung kommt weiterhin von FPÖ und BZÖ. Beide Parteien reden sich auf einen Unterschied zwischen »heldenhaften Widerstandskämpfern« und »Straftätern« heraus. So jedenfalls drückte es BZÖ-Justizsprecher Ewald Stadler gegenüber der Agentur APA aus. Für FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache ist der Entwurf ebenfalls »nicht akzeptabel«. Eine generelle Rehabilitierung ist nach seiner Meinung nicht sinnvoll, weil Schuld und Unschuld individuell zu betrachten seien.

Österreichische Opferverbände begrüßten die Einigung.

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