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Politisches Ränkespiel

  • Jürgen Amendt
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Autor ist Bildungsredakteur dieser Zeitung.
Der Autor ist Bildungsredakteur dieser Zeitung.

Wäre es falsch, das ZDF als Staatsfernsehen zu bezeichnen? Beim ZDF wird man diese Frage sicherlich empört bejahen; der Begriff »Staatsfernsehen« suggeriert immerhin eine gewisse Steuerung der Medien durch die Politik. Wo Politik ist, sind aber auch Parteien und kein Fernsehsender lässt sich gern nachsagen, parteipolitisch nicht unabhängig zu sein. Der Mainzer Medienrechtler Dieter Dörr beantwortet die Frage weniger eindeutig bejahend. Selbst bei »Anlegung großzügiger Maßstäbe«, sei die Zusammensetzung des ZDF-Fernsehrates »mit dem Grundsatz der Staatsferne nicht zu vereinbaren«, schreibt Dörr in einem Gutachten.

Besondere Brisanz erhält diese Einschätzung durch den Fall des ZDF-Chefredakteurs Nikolaus Brender. Dessen Vertrag läuft Ende März 2010 aus. Laut Vertrag hat Brender Anspruch darauf, dass er ein Jahr vor Ablauf seines Vertrages über dessen Verlängerung bzw. Nichtverlängerung informiert wird. Doch bislang gibt es eine solche Sicherheit für ihn nicht. Der Grund hierfür residiert nur wenige Kilometer vom ZDF-Sendezentrum in Mainz entfernt auf der anderen Rhein-Seite in der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden. Ministerpräsident Roland Koch (CDU), zugleich stellvertretender Vorsitzender des ZDF-Verwaltungsrats, der als dritte Säule neben dem Intendanten und dem Fernsehrat den Sender kontrolliert, fordert seit Monaten die Ablösung Brenders. Koch und der Rest der Unionsmehrheit im Gremium stellen sich damit gegen den erklärten Willen des ZDF-Intendanten Markus Schächter. Nachdem im Frühjahr kurzzeitig die Diskussion über die »Causa Brender« öffentlich hochkochte, wurde es in den vergangenen Monaten ruhig. Während des Bundestagswahlkampfes schlossen die Länderregierungschefs der Union auf der einen sowie die Riege der SPD-Ministerpräsidenten auf der anderen Seiten eine Art Burgfrieden.

Bedurfte es eines Beweises für die Staatsnähe des ZDF, dieser »Burgfrieden« hat ihn erbracht. Nicht Brenders Arbeitgeber und seine berufliche Qualifikation bestimmen über seine Zukunft, sondern das politische Ränkespiel hinter den Kulissen. Dieter Dörr sieht das ähnlich. »Das eigentliche Problem um die erneute Berufung von Nikolaus Brender zum Chefredakteur des ZDF liegt also in der Zusammensetzung des Verwaltungsrates. Dies hat seine entscheidende Ursache wiederum in der Zusammensetzung des Fernsehrates«, schreibt der Medienrechtler in seinem Gutachten. Nach der Wahl ist der Burgfrieden aufgekündigt, doch zu einer Entscheidung konnte sich der ZDF-Fernsehrat vergangenen Woche noch nicht durchringen. Brender bleibt also noch eine Galgenfrist bis Ende November, wenn das Gremium erneut tagt. Es sieht nicht gut aus für den ZDF-Chefredakteur. Dörr nimmt den Fall Brender zum Anlass, sich gegen den staatlichen Einfluss auf den Sender auszusprechen. Der Staatsvertrag, durch den das ZDF einst zu Adenauers Zeiten ins Leben gerufen wurde, bedürfe einer »dringenden Nachbesserung«.

Fragt sich nur, ob es dazu kommen wird. Die »Nachbesserungen« müssten nämlich ausgerechnet jene vornehmen, die aufgrund der bisherigen Regelung Einfluss auf die Personalpolitik der öffentlich-rechtlichen Sender nehmen können – die Landesfürsten in den Staatskanzleien. Eine Lösung des Problems müsste in Berlin in Angriff genommen werden. Für die politische Opposition im Bundestag, der die staatsnahe Besetzung des Fernsehrates und des Verwaltungsrates schon seit Langem ein Dorn im Auge ist, macht Dörr in seinem Gutachten hierzu einen interessanten Vorschlag. Es stehe einem Drittel der Mitglieder des Bundestages frei, »ein Normenkontrollverfahren anzustrengen, um (...) die Zusammensetzung dieser Gremien am Maßstab der Verfassung überprüfen zu lassen«.

Die frisch gewählte Opposition könnte ja damit ihre Parlamentsarbeit beginnen!

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