»Hier ist eine ganze Branche in Gefahr«

Vor der Landesbank Baden-Württemberg fordern Maschinenbauer ein Rettungsprogramm

  • Barbara Martin, Stuttgart
  • Lesedauer: 3 Min.
Mit mehrtägigen Demonstrationen vor der Landesbank in Stuttgart will die IG Metall auf die prekäre Lage der mittelständischen Maschinenbauer aufmerksam machen. Die Gewerkschafter fordern unter anderem einen Regionalfonds als Schutzschild für die akut gefährdete Branche.
Protest vor der Landesbank: »Die Politiker müssen endlich begreifen, dass man Maschinenbau braucht, um S-Klasse zu fahren.«
Protest vor der Landesbank: »Die Politiker müssen endlich begreifen, dass man Maschinenbau braucht, um S-Klasse zu fahren.«

»Die Politiker müssen endlich begreifen, dass man Maschinenbau braucht, um S-Klasse zu fahren.« Für den Gag bekommt Sieghard Bender, IG-Metall-Chef im baden-württembergischen Esslingen, Beifall von rund 800 Beschäftigten der Firmengruppe Index/Traub. Sie haben sich aufgemacht, um vor der Landesbank Baden-Württemberg in Stuttgart zu demonstrieren. Fast die Hälfte ihrer Arbeitsplätze – knapp 1000 – ist gefährdet. Grund: Die Banken ziehen die Zügel an. »Ausgerechnet jetzt, in der Krise«, so Bender, »sollen die Leute auf einmal zweistellige Kreditzinsen erarbeiten. Das ist pervers.«

Mit der Demo vor der Landesbank, deren riesiges Glas-Beton-Gebäude sich direkt neben dem Stuttgarter Hauptbahnhof erhebt, will die IG Metall auf die prekäre Lage einer ganzen Branche aufmerksam machen. Gesund gingen die mittelständisch geprägten Maschinenbauer in die Krise. Dann brachen die Aufträge in einem bislang unbekannten Ausmaß weg. Irgendwann hilft da auch Kurzarbeit nicht mehr. Die Fixkosten machen die Firmen platt. Selbst wer Ende 2008 noch eine hohe Eigenkapitalquote hatte – wie Index, das als Stiftung organisiert ist –, rauscht in die Miesen. Überbrückungskredite werden benötigt, sonst droht die Insolvenz. »Firmen vor allem aus dem asiatischen Raum warten schon darauf, billig Know-how aufkaufen zu können«, sagt Bender.

Die Region Stuttgart ist vom Automobil- und Maschinenbau mit den dazugehörigen Zulieferern geprägt. Alleine im Landkreis Esslingen mit seinen 500 000 Einwohnern arbeiten 40 Prozent im Maschinenbau, viele Firmen haben Weltmarktgeltung.

Doch wenn die Geschäftsführer bei den Banken vorstellig werden, erleben sie, wie die Geldhäuser Zukunftskonzepte – was meist Beschäftigungsabbau bedeutet – und hohe Zinsen verlangen. Bender: »Von der europäischen Zentralbank bekommen die Banken das Geld für ein Prozent, von den Unternehmen wollen sie zweistellige Zinsen.«

Dabei habe die Politik ihr Bankenrettungsprogramm doch ausdrücklich damit begründet, dass man so Schaden von der Realwirtschaft abwenden wollte. In Japan habe man erkannt, dass der Maschinenbau eine Schlüsselindustrie ist, dort werden die Firmen unterstützt, um die Krise zu überstehen. Das erwarten die Metaller auch von der baden-württembergischen Landesregierung. Schließlich gehe es nicht um Überlebenshilfe für marode Unternehmen mit überflüssigen Produkten.

»Wir haben keine Ladenhüter, wir bauen Spitzenprodukte«, ruft Lothar Bindert, Betriebsratsvorsitzender von Traub in Reichenbach, den Demonstranten im Innenhof der Landesbank zu. »Wir brauchen befristet Hilfe. Und dafür werden wir kämpfen. Hier ist eine ganze Branche in Gefahr.«

Um ihrem Kampf Nachdruck zu verleihen, haben gestern die Beschäftigten der Heller Maschinenfabrik aus Nürtingen die Demo fortgesetzt, heute und morgen wollen Metaller von Firmen aus Stuttgart und dem Landkreis Göppingen zur Landesbank kommen.

Konkret fordert die IG Metall einen Regionalfonds als eine Art Schutzschild für den Maschinenbau. Verwaltet von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite sowie von der Agentur für Arbeit – soll der von den Banken vorfinanziert werden, das Land soll bürgen. Zudem könnten Anleihen ausgegeben werden.

Außerdem seien arbeitsmarktpolitische Instrumente notwendig: die Verlängerung der Kurzarbeiterregelung über dieses Jahr hinaus sowie Vorruhestand. Und da IG-Metall-Chef Bender nicht damit rechnet, alle Arbeitsplätze zu erhalten, will er zudem eine Transfergesellschaft für die Mittelständler der Branche: »Wir müssen uns Zeit holen, um Hartz IV zu vermeiden und damit die Fachkräfte zur Verfügung stehen, wenn die Krise vorbei ist.« Die dauert nach Sieghard Benders Überzeugung im deutschen Maschinenbau noch bis ins Jahr 2012.

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