Der Millionen-Wahlkampf des »Mayor Mike«

New Yorks Bürgermeister dürfte im Amt bleiben – auch wegen seiner gigantischen Materialschlacht

  • Lesedauer: 4 Min.
Von Max Böhnel, New York

Skeptiker wie Befürworter nennen ihn »Mayor Mike«, »King of New York« oder auch »Mighty Mike« (mächtiger Mike). New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg wird am heutigen Dienstag wohl wieder zum eigenen Nachfolger gewählt werden.

Dass der 67-jährige Bloomberg »die Stadt besitzt«, wie das »New York Magazine« schrieb, ist nicht weit hergeholt. Denn noch vor dem Immobilienmogul Donald Trump rangiert der seit zwei Amtszeiten in der City Hall thronende Bürgermeister auf Platz eins der Liste der Reichsten. Als wohlhabendster New Yorker verfügt Bloomberg über ein geschätztes Privatvermögen von 17,5 Milliarden Dollar.

So verwundert es nicht, dass der New Yorker Bürgermeister für seine Wiederwahlkampagne nichts anbrennen lässt und gewaltige Summen ausgibt, um seinen Herausforderer Bill Thompson, den Schatzmeister der Stadt, farblos aussehen zu lassen. 90 Millionen Dollar hat Bloomberg in seinen Wahlkampf investiert, mehr als je ein anderer politischer Bewerber in der amerikanischen Geschichte aus eigener Kasse berappt hat.

Thompson ist dagegen auf Spenden und öffentliche Zuwendungen angewiesen. Bislang hat der Demokrat rund neun Millionen Dollar eingenommen – ein lächerlicher Betrag angesichts der Bloomberg-Millionen. Noch dazu gibt sich »Mayor Mike« seit Jahren populistisch. Er steigt gelegentlich, schwer bewacht, in die U-Bahn, um zur Arbeit zu fahren, und hält dann frühmorgens freundliche Schwätzchen mit Pendlern. Und allein im vergangenen Jahr spendete er 235 Millionen Dollar für gemeinnützige Zwecke. Das »System Bloomberg« scheint nicht nur zu funktionieren, es kommt auch gut an. Seine »Initiative für Lebensqualität« brachte der Stadt so viele Fahrradwege und saubere sowie sichere Parks wie selten zuvor. Die Kriminalität ging unter seiner Amtsführung weiter zurück. New York gilt heute als die sicherste Großstadt in den USA.

Nach Schätzungen hat der amtierende Bürgermeister in den vergangenen beiden Wochen noch eins draufgelegt und pro Tag eine Million Dollar, vor allem für die in New York extrem teure Fernsehwerbung, ausgegeben. Wenn die Beobachter nach der Bekanntgabe der Wahlkampfausgaben die Zahlen zusammenrechnen, werden sie auf eine Viertelmilliarde Dollar kommen, die Bloomberg für seine politische Karriere insgesamt ausgegeben hat. Zu Recht bezeichneten Thompson-Sprecher die Verbindung von Geld und Wählerbeeinflussung als obszön. Der 56- Jährige fragte bei Wahlkampfauftritten denn auch regelmäßig: »Darf der reichste Mann von New York nach seinen eigenen Spielregeln spielen, während sich alle übrigen an andere Regeln halten müssen?«

Die Antwort lautet: ja. Denn Bloomberg, der über das 15-Fache der Wahlkampfkasse seines Gegners verfügte und ohne Not Dutzende von weiteren Millionen hätte drauflegen können, beschäftigte die erfahrensten PR-Leute und warb mit einer Webseite in einem Dutzend Sprachen. Tausende von Bloomberg-Plakaten sowie die Hochglanzbroschüren, die Freiwillige an den U-Bahn-Ausgängen rund um die Uhr verteilen, gehen auf das Bloomberg-Vermögen ebenso zurück wie die Fernseh- und Radio-Werbespots. Die Boulevardzeitung »Daily News« fand kurz vor der Wahl heraus, dass gerade ein Drittel der Wähler wusste, wie Bill Thompson aussieht. Einem Zehntel war unbekannt, dass der Schatzmeister Afroamerikaner ist.

Die Ungleichheit der Mittel spiegelt sich in den letzten Umfragen so extrem allerdings nicht wider. Bloomberg verfügt trotz seiner Leistungsbilanz und seiner Vorteile als etablierter Amtsinhaber über einen Vorsprung von gerade einmal 12 bis 14 Prozentpunkten. Der Grund liegt an einem Makel, der dem Milliardär anhaftet: Vielen New Yorkern stießen trotz ihrer Sympathie für den Bürgermeister, der der Stadt aus dem 9/11-Trauma heraushalf, seine überzogenen Ambitionen auf das Amt auf. Er brach mit der in den USA verbreiteten Tradition, dass ein Amtsinhaber nach zwei Amtszeiten die Koffer packt. Bloomberg hatte das Stadtparlament im Oktober 2008 – die Finanzkrise war gerade spürbar geworden – unter Druck gesetzt, die Befristung des Bürgermeisteramts aufzuheben, und war damit erfolgreich. Dabei hatten zwei Volksabstimmungen vorher die Amtszeitbegrenzung gutgeheißen.

Bloombergs Durchmarsch könnte nur durch einen Faktor behindert werden – eine geringe Wahlbeteiligung seiner Anhänger, wenn Thompson, der von Präsident Barack Obama, Veteranen der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung und wichtigen New Yorker Gewerkschaften unterstützt wird, gleichzeitig seine Sympathisanten mobilisieren kann. Ein Wahlsieg mit weniger als zehn Prozentpunkten Vorsprung wäre für den Milliardär Bloomberg allerdings eine unerhörte Peinlichkeit.

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