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»Regine hätte sich darüber gefreut«

Die märkische SPD gab in Altlandsberg grünes Licht für das Regierungsbündnis mit den Sozialisten

  • Veiko Kunkis
  • Lesedauer: 4 Min.
Beim SPD-Parteitag in Altlandsberg sprach am Mittwochabend nur ein Mann gegen Rot-Rot.

Eine Viertelstunde vor Beginn des SPD-Sonderparteitages in der Erlengrundhalle konnte man noch den Eindruck gewinnen, es werde spannend. Dagmar Ziegler, die scheidende Gesundheitsministerin, rügte dicht umringt von Journalisten, die SPD habe sich nicht ausreichend mit ihrem Umgang mit der Linkspartei beschäftigt. »Wir wissen nicht, wo uns die LINKE hintreibt«, sagte sie. Und: »Wir müssen um unsere Inhalte kämpfen.« Gleiches bewegte wohl die Genossen aus dem Ortsverein Lübbenau, die per Antrag einen Mitgliederentscheid über eine Koalition mit den LINKEN forderten. Doch der Eindruck täuschte.

»Matthias steht im Stau, wir fangen 15 Minuten später an.« Die Lockerheit, mit der SPD-Generalsekretär Klaus Ness kurz nach 18 Uhr den verspäteten Beginn des Parteitages verkündete, traf die Grundstimmung wohl eher. Würstchen, Kartoffelsalat, Kaffee, Schulterklopfen und Männer-Gehabe: »Warte mal, ich muss mal ne schöne Frau drücken.« »Du bist hier also der Revolutionär«, wurde Holger Bartsch aus Lübbenau frotzelnd begrüßt. Er gehört dem Ortsverein an, der beantragte, es solle einen Mitgliederentscheid über Rot-Rot geben. »Ich war gar nicht da, hätte auch abgeraten«, wiegelte Bartsch ab.

Es war genau 18.15 Uhr, als Ministerpräsident Matthias Platzeck und mit ihm Bundestagsfraktionschef Frank-Walter Steinmeier in der Erlengrundhalle eintrafen. Platzeck warb in seiner 40-minütige Rede vor allem um die Stimmen der Zweifler. Die Sozialdemokraten, sagte er, seien tief in der gesellschaftlichen Mitte verankert. »Diese Mitte werden wir nicht räumen; wir sind mit der CDU nicht rechter geworden und wir werden mit der LINKEN nicht linker werden.«

Die CDU sei »tief zerrissen«, in den Sondierungsgesprächen habe sie »Forderungen aufgestellt, die einfach nicht seriös waren«, die »Führungsfrage« sei bei ihr »vollständig ungeklärt«. Mit der LINKEN dagegen habe man sich verständigen und einigen können – »auf der Grundlage gegenseitigen Respekts«. Platzeck zitierte den entscheidenden Satz für seine Partei aus dem Koalitionsvertrag, dem die LINKE zugestimmt habe: »Die … Arbeit der 1989 wieder gegründeten, zuvor von der SED seit 1946 unterdrückten und verfolgten Sozialdemokratie (hat) zur positiven Entwicklung unseres Landes entscheidend beigetragen.« Er zeigte aber auch Verständnis für die, die eine »Koalition mit den SED-Nachfolgern« für ausgeschlossen halten. Daseinsgrund der Sozialdemokraten im Osten sei es gewesen, »das illegitime Machtmonopol der SED zu brechen«. Dieses Urmotiv präge die Partei bis heute.

Frank-Walter Steinmeier sprach kurz über die Brandenburger SPD und lange über die »gigantische Wählertäuschung von Schwarz-Gelb«. Die Brandenburger Sozialdemokraten lobte er für ihre Stärke. Matthias Platzeck bescheinigte er, die Gewähr dafür zu bieten, dass sich in Brandenburg keine DDR-Nostalgie ausbreite.

Der designierte Innenminister Rainer Speer erinnerte daran, dass er auf den Tag genau vor 20 Jahren in die sozialdemokratische Partei eingetreten sei. »Vorher habe ich in der Potsdamer Erlöserkirche beim Neuen Forum vorbeigeschaut, aber die hatten Angst davor, Macht zu haben«, sagte er und empfahl gleich noch, den Antrag auf einen Mitgliederentscheid abzulehnen.

Wolfgang Ilte aus Oberhavel war der einzige, der das Wort gegen den Koalitionsvertrag ergriff. Der Großteil der einstigen SED- und Blockparteienmitglieder habe sich gewandelt und mit dem System gebrochen, sagte er, »heißen sie nun Junghanns, Althaus, Tillich oder sonstwie«. Nicht wenige seien auch bei der SPD Mitglied geworden. Doch die, die bei den »SED-Nachfolgern« auch die dritte Umbenennung mitgemacht haben, die halten am Alten fest, behauptete Ilte. »Platzeck und Stolpe standen bisher für eine Regierung ohne kommunistische Beteiligungen«, schloss Ilte. Er könne dem neuen Weg nicht folgen.

Die meisten der 131 anwesenden Delegierten standen jedoch hinter Platzeck und seinem Kurs. Zunächst lehnten sie einen Mitgliederentscheid ab. Es gab nur zwei Befürworter und wenige Enthaltungen. Dann stimmten sie mit großer Mehrheit bei nur 14 Gegenstimmen und 7 Enthaltungen für den Koalitionsvertrag.

»Regine hätte sich darüber gefreut«, sagte Matthias Platzeck in seinem Schlusswort. Die inzwischen verstorbene Sozialministerin und »Mutter Courage des Ostens« hatte bereits 1999 für Rot-Rot plädiert. Der damalige Ministerpräsident Manfred Stolpe hatte sich jedoch seinerzeit für die CDU als Partner entschieden.

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