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Zockerei um Hamburgs Gängeviertel

Die Bürgerschaft will Bauplanung stoppen, der Investor treibt Preis für seinen Ausstieg hoch

  • Mirko Knoche, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach der Besetzung des Hamburger Gängeviertels durch rund 200 Künstler vor zwei Monaten hat sich nun die Bürgerschaft mit dem Problem beschäftigt. Alle Parteien im Landesparlament erklärten, sie wollten den ursprünglichen Plan für einen teuren Bürokomplex jetzt kippen.
Kerzen für das Gängeviertel: Der Streit um die Zukunft des besetzten Quartiers in der Hamburger Innenstadt geht in die nächste Runde. Foto:dpa/Christians
Kerzen für das Gängeviertel: Der Streit um die Zukunft des besetzten Quartiers in der Hamburger Innenstadt geht in die nächste Runde. Foto:dpa/Christians

Der Streit um die Künstler-Ateliers im Hamburger Gängeviertel geht in die nächste Runde. Der Käufer des historischen Straßenzugs hat letzte Woche eine Räumungsklage gegen die Hausbesetzer aus der Kulturszene angestrengt. Dabei unterlag der niederländische Investor Hanzevast in der ersten Instanz. Prompt legte die Zockerfirma Berufung ein. Nun muss das Oberlandesgericht entscheiden.

Die Hamburgische Bürgerschaft nahm sich des Problems am Mittwochnachmittag an. Alle Parteien äußerten, sie wollten den ursprünglichen Plan des niederländischen Investors Hanzevast für einen teuren Bürokomplex kippen. Die Initiative »Komm in die Gänge« war erst vor zwei Monaten mit der Besetzung der leer stehenden Häuser in der Hamburger Innenstadt auf den Plan getreten. Der Künstler-Coup wurde sofort zum Politikum.

Am Mittwoch bestätigten sich auch Vermutungen, die Heuschrecke Hanzevast habe eine fällige Rate nur deshalb überwiesen, um den Preis für eine Vertragsauflösung in die Höhe zu treiben (ND berichtete). In der Bürgerschaft informierte GAL-Fraktionschef Jens Kerstan am Mittwoch über Gespräche der schwarz-grünen Koalition mit Hanzevast über einen Ausstieg des Holländers. Demnach habe der Finanzfonds seine Forderungen innerhalb der ersten zwei Wochen verdoppelt. Eine konkrete Summe nannte Kerstan dabei nicht. Er sagte aber, der Investor wolle sich offenkundig eine »goldene Nase« verdienen.

Klare Ansage der Stadt?

Noch deutlicher äußerte sich der CDU-Sprecher für Stadtentwicklung, Jörg Hamann: Es gebe nun eine klare Ansage der Stadt. Wenn Hanzevast nicht einlenke, dann könne Hamburg auch anders. Tatsächlich wollen die grüne Stadtentwicklungssenatorin Anja Hajduk und die parteilose Kultursenatorin Karin von Welck den Konflikt aber nicht hochkochen lassen. Begründung: sonst steigt die Ablösesumme für den Holländer noch weiter.

Der SPD-Abgeordnete Andy Grote wertete die starken Worte von Kerstan und Hamann deshalb als Sonntagsreden. Norbert Hackbusch von der Linksfraktion kritisierte, dass die wahren Entscheidungsträger an der Debatte gar nicht beteiligt seien. Letztlich würden nämlich die Finanzpolitiker der schwarz-grünen Koalition das Schicksal des Gängeviertels und anderer Kunstprojekte bestimmen. Kulturpolitiker Hackbusch mahnte an, das Gängeviertel müsse als gesamtes Ensemble erhalten bleiben. Dabei dürften sich keine Fehler wiederholen, die in Berlin schon vor Jahren begangen wurden. »Wir brauchen keine zweiten Hackeschen Höfe«, sagte Hackbusch in Anspielung auf das luxussanierte Arbeiterquartier in Berlin-Mitte. Stadtentwicklungssprecher Joachim Bischoff (DIE LINKE) kündigte »erheblichen Ärger« an, falls die Künstler nicht im Gängeviertel bleiben könnten.

Wie im 19. Jahrhundert

Letzte Woche hatten sich Hamburger Kulturschaffende wie der Schauspieler Peter Lohmeyer und der Musiker Rocko Schamoni zu Wort gemeldet. In einem Manifest »Not in our name – Marke Hamburg« (Nicht in unserem Namen) stellten sie verschiedenste Kunstprojekte in einen Zusammenhang mit der »sozialen Frage«. Hamburgs Stadtplaner versuchten demnach, eine gespaltene Stadt zu schaffen. »Wie im 19. Jahrhundert: Die Promenaden den Gutsituierten, dem Pöbel die Mietskasernen außerhalb«, heißt es in dem Papier.

Mehr als 2500 Menschen haben sich dem Aufruf inzwischen angeschlossen. Hamburg sei kein Marketingbegriff, »sondern ein Gemeinwesen«, so die Unterzeichner des Manifestes.

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