Im Auftrag der Banken

Studie: EU-Expertengruppen werden von Lobbyisten dominiert

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 2 Min.
Die notwendige Regulierung der Finanzmärkte kommt nicht voran. Auch weil die EU-Kommission jeden Elan vermissen lässt, den Verursachern der Krise strengere Vorgaben zu machen. Eine nun veröffentlichte Studie zeigt, warum die Kommission so passiv bleibt: Die meisten ihrer Berater kommen von jenen Banken und Konzernen, die für die Finanzkrise mitverantwortlich sind.

Die EU-Hauptstadt Brüssel gilt als »Mekka der Lobbyisten«. Etwa 15 000 von ihnen arbeiten dort mehr oder weniger diskret, um die EU-Politik im Sinne ihrer Auftraggeber zu beeinflussen. Während das Wirken dieser heimlichen Einflüsterer immer wieder kritisiert wird, blieb die Arbeit der mehr als 1000 Expertengruppen, die der EU-Kommission mit Rat und Tat zur Seite stehen, bislang weitgehend unbeachtet.

Nun hat das NGO-Netzwerk ALTER-EU die Zusammensetzung jener 19 Expertengruppen untersucht, die von der Kommission in Sachen Finanzmarktpolitik konsultiert wurden. Die kürzlich in Brüssel vorgelegte Studie »Kommission der Konzerne – die Rolle der Finanzindustrie bei der EU-Gesetzgebung« belegt, dass vor allem Vertreter der Finanzwirtschaft die zuständigen Expertengruppen dominieren. So kommen dort auf einen unabhängigen Experten – dazu zählen Gewerkschaftsvertreter, Verbraucherschützer oder Akademiker – vier Berater aus der Finanzbranche. Insgesamt sind derzeit 229 dieser Lobbyisten als sogenannte »Experten« für den Finanzbereich tätig. Die Zahl ist besonders interessant, wenn man bedenkt, dass die Kommission lediglich über 150 Beamte verfügt, die das Themenfeld Finanzmarkt bearbeiten.

Das Problem ist keineswegs neu und beschränkt sich auch nicht auf den Finanzsektor. Schon im Jahr 2008 untersuchte ALTER-EU 110 Expertengruppen und stellte fest, dass in 40 dieser Gruppen mehr Wirtschaftslobbyisten saßen als Regierungs- und Nichtregierungsvertreter zusammengenommen.

Kein Wunder, dass die Kommission bislang wenig Ehrgeiz zeigte, die Finanzbranche an die Kandare zu nehmen. So wurden etwa die Rating-Agenturen von allzu strengen Vorschriften verschont, obwohl sie als Mitverursacher der Krise gelten. Zudem empfahlen die Expertengruppen, von einer strengeren Regulierung der Hedge-fonds abzusehen. Der Entwurf zur angeblichen Regulierung dieser Fonds, den Binnenmarktkommissar McCreevy im April 2009 vorlegte, war so weichgespült, dass selbst die Europäischen Sozialdemokraten gegen diesen »kosmetischen Entwurf« aufmuckten.

Um den Einfluss der Lobbyisten zurückzudrängen, fordert ALTER-EU nun, Expertengruppen, die von Industrievertretern dominiert werden, aufzulösen oder aber eine ausgewogene Repräsentation aller Interessengruppen zu gewährleisten. Solange es keine verbindlichen Regeln für diese Expertengruppen gibt, dürfen keine neuen gebildet werden, verlangt das NGO-Netzwerk. Außerdem sollen Namen und Mitgliedschaften jener Experten veröffentlicht werden, welche die Kommission bislang in Sachen Finanzmarkt beraten haben.


Bevor die EU-Kommission einen neuen Gesetzentwurf an den Rat und das Europaparlament weiterleitet, konsultiert sie sogenannte Expertengruppen. In diesen Gruppen soll eine Vielzahl von Sichtweisen vertreten sein. Deshalb sitzen dort Regierungsexperten, Vertreter der Zivilgesellschaft, der Wissenschaft und der Industrie. Allerdings stehen die Expertengruppen in der Kritik, weil sie oft intransparent arbeiten und von Lobbyisten der Industrie und Banken dominiert werden. fal

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