Helfender Hinweis

Richtige Satire und Herr Wedel

  • Matthias Biskupek
  • Lesedauer: 3 Min.

Mathias Wedel hat wieder eine Sammlung seiner in verschiedenen Medien mal kürzer mal länger gedruckten Texte unter dem Titel »Wie schön, dass wir die Doofen sind« veröffentlicht. Literaturwissenschaftler werden über kurz oder lang herausfinden, dass dies ein ironisch gemeinter Titel ist. Doch nützt uns eine solche Sammlung in der gegenwärtig angespannten Lage?

Über Sammlungen kann man nämlich nur lachen, wenn man sie nicht ernst, also häppchenweise vorm Einschlafen, nimmt. Sollte man nicht hingegen die alte marxistische Frage stellen: Cui bono? Zu deutsch: Wäre es nicht an der Zeit, die Boni der Manager in voller Schärfe zu geißeln?

Satiriker haben es leicht. Sie müssen nur den normalen Welt-Gang auf- und abschreiben. Satiriker haben es schwer. Sie geraten ständig zwischen die Klippen politischer Unkorrektheiten. Wenn sie das Wort »Ossa« verwenden, müssen sie erklären, dass sie damit die weibliche Form des inflationär und abwertend gebrauchten Wortes »Ossi« geißeln. Sie beschmutzen also nicht die im Prinzip richtige Gender-Offensive, wenden sich aber scharf gegen deren Auswüchse, die das als politisch richtig Erkannte verschleiern. Oder wenn sie Mohammed-Karikaturen – gut, das lassen wir lieber.

Mathias Wedel schreibt leicht und macht es sich schwer. Er karikiert nämlich besonders gern jene, die bei dem Wort »Dokument« sofort assoziieren können, dass es sich um den SED-Unrechtsparteiausweis aus dem SED-Unrechtsstaat handeln kann. Deshalb sind seine Glossen, die er gelegentlich auch in diesem Blatt an prominenter Stelle drucken lässt, vor allem bei treuen alten und geschulten neuen Genossen unbeliebt: Sollte Wedel nicht seine ganze satirische Kraft, den Roten Pfeffer der Arbeiterklasse, gegen das Monopolkapital um Frau Merkel und Herrn Westerwelle einsetzen? Sollte er nicht spornstreichs den Sozialdemokratismus mit spitzer Feder entlarven? Nein, er macht sich zu schnell über Nebenschauplätze lustig. Und über Bundesgenossen, die man eigentlich gerade jetzt in eine breite Koalition einbeziehen muss. Richtige Satire muss einbeziehen, darf keinesfalls verschrecken. Oder, lieber Wedel?

Um noch ein von Wedel falsch verwendetes Beispiel heranzuziehen: In einer sog. Familiensatire zum Thema Generationengerechtigkeit (sehr wichtig!) wird die Familie des Schwiegersohns des Erzählers beschrieben. Es handelt sich um marokkanische Mitbürger, die gern in größerer Zahl zu Besuch kommen. Nun könnte ein politisch sensibler Satiriker sich den unwürdigen Zuständen in unseren Asylbewerberheimen zuwenden, würde Ausländerfeindschaft in der Mitte der Gesellschaft deutlich benennen und Möglichkeiten für deren Bekämpfung in einem durchaus spaßigen Maßnahmekatalog auflisten. Wedel hingegen stellt in diesem Text fest: »Wir schämten uns ein bisschen vor der versammelten marokkanischen Verwandtschaft, weil wir (…) nicht einmal, wie es sich in Marokko gehört, eine stabile Kamelherde aufgebaut hatten.«

Er scheint nicht zu bemerken, dass genau dieses Wort-Gemenge – Kamelherde und Marokkaner – von den Feinden des Fortschritts ausgenutzt werden kann. Der wachsame Leser muss sich spätestens hier fragen: Auf welcher Seite der Barrikade schreibt Wedel eigentlich?

Wer trotz dieses meines freundschaftlich gemeinten Warnhinweises das ganze Buch lesen möchte, dem kann ich nur zuraten.

Mathias Wedel: Wie schön, dass wir die Doofen sind. Eulenspiegel Verlag. 160 S., brosch., 9,90 €.

Siehe auch im Shop: Wie schön, dass wir die Doofen sind

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