Ein Klima der Unterernährung

FAO ignoriert die Erkenntnisse des Weltagrarberichtes 2008

  • Susanne Götze
  • Lesedauer: 3 Min.
Klima- und Hungerkrise sind für die Welternährungsorganisation FAO immer noch zwei Paar Schuhe. Dabei liegt seit 2008 der Weltagrarbericht mit Vorschlägen für eine nachhaltige Landwirtschaft vor. Dadurch sollen Regionalität und ökologische Produktion gestärkt sowie Treibhausgase einspart werden. Doch die FAO-Verantwortlichen setzen in der Mehrheit auf Effizienzsteigerungen.

Mit der FAO-Konferenz in Rom und dem bevorstehenden UN-Klimagipfel in Kopenhagen werden in diesen Wochen gleich zwei der drängendsten Probleme weltweit thematisiert: Unterernährung und Erderwärmung. Doch bei der FAO spielt der Klimawandel bislang keine große Rolle, und in den Klimaverhandlungen ist die Landwirtschaft so gut wie außen vor. »Hunger- und Klimakrise müssen aber zusammen gedacht werden«, betont Benedikt Haerlin von der Zukunftsstiftung Landwirtschaft. Er hatte von 2002 bis 2008 am Weltagrarbericht mitgeschrieben, in dem sich über 500 Wissenschaftler mit der Frage beschäftigten, wie eine für Mensch, Umwelt und Klima nachhaltige Landwirtschaft aussehen sollte. »Von der FAO wird weiterhin ausgeblendet, dass an die 40 Prozent der weltweiten Treibhausgase von der Landwirtschaft produziert werden«, erklärt Haerlin. Wenn die FAO nun eine Effizienzsteigerung der Landwirtschaft um 70 Prozent unter den derzeitigen Bedingungen fordere, dann widerspreche das diametral den Klimazielen, die in fünf Wochen in Kopenhagen auf der Agenda stehen.

Laut dem vom Weltagrarrat vorgelegten Bericht sind in den letzten vierzig Jahren der Pestizideinsatz um 300 Prozent und die Düngung mit klimaschädlichem Stickstoff um 800 Prozent angestiegen. Hinzu kommen ein immer größerer Fleischkonsum und der steigende Bedarf an Getreide. Derzeit macht allein die Freisetzung von Methan, Stickstoff und Lachgas rund 14 Prozent des weltweiten Klimaproblems aus. Zur Erderwärmung tragen zudem Transport, Herstellung der Produkte und Landverbrauch durch Rodung von Waldflächen bei. Doch das globalisierte Ernährungssystem heizt nicht nicht nur den Klimawandel an, sondern stürzt auch Millionen Menschen in die Armut. »Wir haben es mit einer paradoxen Situation zu tun: Noch nie hatten so viele Menschen auf der Welt Hunger, und noch nie wurde so viel pro Kopf an Nahrung produziert«, so Co-Autor Haerlin. Deshalb gehe es in erster Linie nicht darum wie viele, sondern wie Lebensmittel produziert und vertrieben würden. Der Weltagrarbericht schlägt dazu über 200 Maßnahmen für die Politik vor, um den Übergang in ein »Agrarökologisches System« und regionale Märkte zu schaffen.

Die FAO, die den Weltagrarrat selbst mit ins Leben gerufen hat, ignoriert allerdings die Ergebnisse. So wurden Vertreter des Rates nicht zu einem Vortreffen der FAO im Oktober eingeladen. »Die FAO und die Lobby der Gentechnikkonzerne versuchen, unseren Bericht, so weit es geht, totzuschweigen«, so Haerlin. Auch Deutschland und die USA hätten den Bericht bis heute nicht unterschrieben.

Die FAO diskutiert in Rom statt dessen, wie mit Hilfe von Produktionssteigerungen und der Unterstützung von Kleinbauern der Hunger bekämpft werden kann. Dabei will man dem Welthunger vor allem mit technologischen Angeboten wie der Grünen Gentechnik beikommen. Nach Ansicht der Wissenschaftler des Weltagrarrates wird dadurch, wegen des höheren Pestizideinsatzes, das Umwelt- und Klimaproblem nur weiter verschärft, während sich an der wirtschaftlichen Misere der Masse der Kleinbauern wenig ändere.

Doch auch in der FAO gibt es Querköpfe: Der Vize-Generaldirektor Alexander Müller hatte sich im Vorfeld des Gipfels in Rom für eine nachhaltigere Landwirtschaft sowie ein Zusammendenken von Klima- und Hungerproblem ausgesprochen. Er plädiert dafür, auf ökologische, an regionale Gegebenheiten angepasste Technologien zu setzen statt auf Gentechnik und massiven Kunstdüngereinsatz.


"Taipei 309"

Zum FAO-Gipfel bringt sich auch die Agrogentechlobby in Stellung. Die Fördergemeinschaft Nachhaltige Landwirtschaft etwa preist in einer Mitteilung die mit Vitamin A-Beta-Carotin angereicherte Reissorte »Japonica Taipei 309« an. Diese könne einen »wesentlichen Beitrag« dazu leisten, das Problem zu lösen, dass 13 Millionen Kinder an vollständiger oder teilweiser Blindheit aufgrund Vitamin-A-Mangels leiden. Kritiker halten jedoch dagegen, dass auf diese Reissorte Patentgebühren anfallen, wodurch sie teuer werde. Zudem lasse sich der Vitamin-A-Mangel auch mit traditionellen Gemüsesorten beheben.

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