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Pinguine unter Hitzestress

Nahrungsangebot antarktischer Vögel schwindet durch schrumpfende Eisbedeckung

  • Gert Lange
  • Lesedauer: 3 Min.
Vor wenigen Tagen feierte die Deutsche Gesellschaft für Polarforschung auf dem Potsdamer Telegrafenberg ihr fünfzigjähriges Jubiläum. Ein Hauptthema des Festkolloquiums waren die Folgen der Temperaturerhöhung und der störenden menschlichen Einflüsse auf die Lebewesen.

Was uns die Vögel singen, sollten wir ernst nehmen. Nicht nur in Märchen und Volksliedern sind sie verlässliche Boten, auch in der kalten Wirklichkeit geben sie uns Kunde, wie die Dinge liegen. Der Pinguin kann zwar weder singen noch fliegen, aber was die schon jetzt gemessene Klimaerwärmung bewirkt, vermittelt dieser Vogel uns durch sein Verhalten.

Besonders die Adeliepinguine (Foto: dpa) gelten als sensible Indikatoren für veränderte Umweltbedingungen. Die Antarktische Halbinsel und angrenzende Inselgruppen weisen den größten Tier- und Pflanzenreichtum der Antarktis auf. Deswegen haben die nur nach der Wende unterbrochenen kontinuierlichen Beobachtungen vornehmlich ostdeutscher Biologen in dieser Region besondere Aussagekraft.

Der stärkste Einflussfaktor ist die Erwärmung des Meerwassers vor der Westküste, in den letzten 50 Jahren um fast sechs Grad! Die Anzahl der Brutpaare von Adeliepinguinen nahe der US-Station Palmer ist von 40 000 Mitte der 1970er Jahre auf weniger als 14 000 zurückgegangen. Hans-Ulrich Peter, Dozent an der Universität Jena, der mit seinen Kollegen oft die kleine Ardley-Insel aufgesucht hat, zählte 1994 mehr als 1500 Adeliepärchen, 2006 waren es nur noch 334, bei Eselspinguinen sogar nur noch neun.

Wie ist das zu erklären? Das Meereis ist für Adelies im Winter ein existenzieller Lebensraum. Erwärmt sich das Wasser, reduzieren sich Dauer und Fläche der Eisbedeckung. Dadurch ändert sich die Nahrungskette. Der Krill, der unter dem Meereis lebt und den die Pinguine am liebsten fressen, steht nicht mehr in genügender Menge zur Verfügung. Innerhalb von zehn Jahren haben sich die Krillvorkommen an der Antarktischen Halbinsel halbiert. Das schrumpfende Nahrungsangebot verringert den Bruterfolg. Zudem nehmen mit den Temperaturen die Niederschläge zu. Bei überwiegend nördlichen Winden lagert sich der Schnee auf jenen südlichen Flächen ab, wo die meisten Pinuine brüten. Wissenschaftler befürchten, dass die Kolonien dort in den nächsten Jahren aussterben werden.

Auch bei anderen Arten ist der Bestand dramatisch zurückgegangen, etwa beim Riesensturmvogel; bei diesen majestätischen Vögeln mit einer Flügelspannweite von mehr als zwei Metern spielen auch Störungen durch zunehmenden Tourismus und den Fluglärm in der Nähe der Stationen eine Rolle. Herzschlagmessungen haben ergeben, dass sich die Frequenz bei Annäherung eines Menschen auf fünf Meter um etwa ein Drittel erhöht. Ein Verbot touristischer Aktivitäten und die Einschränkung des Stationsbetriebes in bestimmten Gebieten gehören auf die Agenda der Antarktis-Vertragsstaaten.

Auf der östlichen Seite der Antarktischen Halbinsel hat sich der Trend dagegen umgekehrt. Dort nimmt die Anzahl der Pinguine zu, weil das bisher extrem kalte Klima milder geworden ist. Das trifft auch auf einige schneefreie Oasen zu, wo sich Fels und Geröll stärker erhitzen. Mit der Klimaerwärmung sind über 200 fremde Tier- und Pflanzenarten in die Sub- und die küstennahe Hochantarktis eingewandert. Wie sich das auf die angestammte Biosphäre auswirkt, ist noch unbekannt. Die Biologen vermuten, dass ein Zuviel wie auch ein Zuwenig an Eis den heimischen Lebewesen schadet.

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