Konzerthaus Berlin

Schön, tief

  • Liesel Markowski
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein weites Feld sinfonischer Kultur erschloss dieses jüngste Abonnementkonzert der Berliner Staatskapelle. Musik von Anton Webern, Richard Strauss und Antonín Dvorák bot kontrastvolle Klangerlebnisse aus dramatisch widerspruchsvollen Zeitläufen des späten 19. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. Ein Programm spielerischer Virtuosität und fesselnder Expression, dem sich die Staatskapelle mit glänzender Musizierkunst stellte. Am Pult: Zubin Mehta, welterfahrener Maestro. Unter seiner Leitung wurde der Abend zu einem ebenso spannenden wie nachhaltigen Ereignis.

Anton Weberns »Sechs Stücke für Orchester« (Fassung: 1928) zu Beginn: In nur zehn Minuten entstehen sensible Meditationen in zartem Piano und Pianissimo. Filigrane Aphorismen (jenseits der Tonalität) in ungewöhnlichen, meist dunklen Farben, nur selten zum Forte (Blech) aufgipfelnd. Ein Psychogramm der Andeutungen und Stille in großer, diffizil genutzter Besetzung, von den Berliner Musikern konzentriert geboten.

Webern hat sich in diesen Stücken mit dem Tod seiner Mutter auseinandergesetzt, was ernste, auch düstere Stimmung ausmacht. Zugleich hat er, der Schönberg-Schüler, unabhängig vom Lehrer damit seinen eigenen, die traditionelle Ästhetik weiter aufbrechenden Stil gefunden. Die Uraufführung 1931 in Wien wurde zu einem der größten Skandale im Konzertsaal: Von turbulentem Gebrüll bis zu Prügeleien fühlte sich das Publikum provoziert. Nunmehr nahmen die Hörer im Großen Saal des Konzerthauses es »gefasst« bis »wohlwollend« an – immerhin ein Fortschritt.

In eine ganz andere Welt führten Richard Strauss' »Vier letzte Lieder« (1948), Gesänge des Abschieds des alternden Komponisten, in schwärmerischer Schönheit formuliert. Dichtungen von Hermann Hesse und Josef von Eichendorff sind das literarische Programm feinster Poesie. Strauss tauchte es in schillernde Orchesterfarben, gab ihm durchsichtige Strukturen zum weitschwingenden Sopransolo. Es sind Gesänge eines Abschieds, die sich der Schönheit des Lebens erinnern und zugleich ermüdet das Ende ahnen.

Die Aufführung wurde zum bewegenden Höhepunkt des Konzertes. Vor allem die Sopranistin Anja Harteros bezauberte mit ihrer strahlenden Stimme und hinreißenden Gesangskultur. Ihr ging es spürbar um künstlerische Wahrheit und Identifizierung mit dem Gesungenen. Harteros wurde gleichsam zur Königin das Abends, adäquat ergänzt durch Zubin Mehta und seine Musiker: Einheit in Schönheit und Tiefe des Ausdrucks. Unvergesslich etwa das dritte Hesse-Lied mit verführerischer Innigkeit »im Zauberkreis der Nacht« und träumerischem Orchesterzwischenspiel oder der Eichendorff-Abschluss mit bedachtsamer Todesahnung.

Dem Zarten folgte Opulenz: Antonín Dvoráks 7. Sinfonie (d-Moll, op. 70), ein Stück orchestraler Bravour von 1884/85. Eigentlich ungewohnt dunkel gegenüber manch idyllischer Fröhlichkeit des böhmischen Komponisten geht es hier zu: Die große sinfonische Geste voller Kraft dominiert. Mehta inspirierte die Kapelle zu überaus präzis ausgewogenem, ja brillantem Spiel. Zwingende Geschlossenheit wie Transparenz: Das energische Pathos des einleitenden Allegro, das eindringliche Melos des Adagio, das effektvoll walzerhafte Scherzo wie das rhythmisch markante, sich bis zur Blech-Apotheose steigernde Finale – die Kunst eines erstklassigen Orchesters. Lange Beifallsstürme.

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