Stasi-Fälle keine ernste Gefahr für Rot-Rot

Brandenburgs Regierungschef sieht keine Koalitionskrise / SPD und LINKE laut Umfrage bei 53 Prozent / Abgeordneter verließ die Linksfraktion

Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) räumte bei einer Sondersitzung des Landtags am Freitag einen misslungenen Start von Rot-Rot in Brandenburg ein. Eine Koalitionskrise wegen der Stasi-Fälle in der Linksfraktion sieht er jedoch nicht.

Es sei der neuen Regierung noch nicht gelungen, den eigenen Ansprüchen gerecht zu werden, meinte Ministerpräsident Platzeck am Freitag im Landtag. Es gebe jedoch keine Krise der Regierung, sondern vielmehr eine Krise der Integrität einzelner Abgeordneter.

»Wir alle haben uns den Start der Koalition anders vorgestellt«, meinte Linksfraktionschefin Kerstin Kaiser. Sie räumte einen Vertrauensverlust durch das Verschweigen früherer Stasi-Tätigkeit von Abgeordneten ein. »Ich bedaure das zutiefst«, erklärte die Politikerin. Die LINKE müsse als Nachfolgepartei der SED zu ihrer Verantwortung für das Scheitern des Realsozialismus stehen und deshalb auch politische Biografien offenlegen. Eine undemokratische, diktatorische und totalitäre Herrschaft dürfe niemals akzeptiert, verherrlicht oder verharmlost werden.

Den Forderungen von CDU und FDP nach einer Neuwahl schloss sich Grünen-Fraktionschef Axel Vogel nicht an. Diese würde möglicherweise auch nicht so ausgehen, wie sich das CDU und FDP erhoffen. An SPD und LINKE gewandt, sagte Vogel: »Fangen Sie an!« Einer aktuellen Umfrage zufolge bekäme Rot-Rot derzeit mit 53 Prozent die Mehrheit. Verglichen mit den Werten bei der Landtagswahl am 27. September sinkt die SPD in der Wählergunst um 2 auf 31 Prozent, die LINKE um 4 auf 23. Die CDU steigert sich um 5 auf 25 Prozent. Die FDP bleibt bei 7 Prozent, die Grünen legen 1 Prozent zu und befinden sich nun auf Augenhöhe mit den Liberalen. Das Umfrageergebnis der Sozialisten ist nicht ungewöhnlich. Um diesen Wert herum bewegten sie sich auch in früheren Jahren. Nur im Vorfeld von Wahlen gelang es ihnen mehrfach, deutlich sichtbar zuzulegen.

Die geballte Kampagne gegen Rot-Rot sei gescheitert, kommentierte SPD-Generalsekretär Klaus Ness die Umfrage. Vor dem Parlamentsgebäude auf dem Potsdamer Brauhausberg demonstrierten drei Dutzend Mitglieder der Jungen Union. Sie verteilten Adventskalender mit Bildern von Abgeordneten der Linkspartei mit MfS-Verstrickung. Wie beim Adventskalender werde fast täglich ein neuer Fall aufgedeckt, erklärte Hans-Wilhelm Dünn, Landesvorsitzender der CDU-Nachwuchsorganisation. Auf Plakaten firmierte Platzeck als »Häuptling der Stasianer«.

Von den 26 Landtagsabgeordneten der LINKEN hatten nach bisherigen Erkenntnissen 7 mit dem DDR-Ministerium für Staatssicherheit (MfS) zu tun. Axel Henschke arbeitete von 1971 bis 1973 als Wärter in einem Gefängnis der Staatssicherheit. Kerstin Kaiser und Hans-Jürgen Scharfenberg berichteten als Inoffizielle Mitarbeiter. Gerlinde Stobrawa hatte als Chefin der Pionierorganisation im Bezirk Frankfurt (Oder) dienstliche Kontakte und wurde darüber hinaus von der Stasi als IM geführt. Sie alle hatten darüber vor ihrer Nominierung offen gesprochen. Michael Luthardt leistete lediglich seinen dreijährigen Wehrdienst beim MfS-Wachregiment »Feliks Dzierzynski«.

Für große Aufregung sorgten aber die Stasi-Fälle Renate Adolph und Gerd-Rüdiger Hoffmann, weil diese Abgeordneten darüber nicht informiert hatten, so wie es Beschlüsse der Partei von Kandidaten verlangen. Hoffmann trat jetzt aus der Fraktion aus. »Das Fehlen von Solidarität und rechtsstaatlicher Toleranz mir gegenüber und die offensichtliche Änderung der Auffassung der Fraktionsführung zum Umgang mit DDR-Lebensläufen unter den Bedingungen der Mitwirkung an einer Landesregierung zwingen mich zu diesem weitgehenden und für mich persönlich schweren Schritt«, begründete er seinen Schritt, mit dem er einem Ausschluss zuvorkam. Abgeordneter möchte er bleiben.

Die Lage von Rot-Rot in Brandenburg besprach Bundestagsfraktionschef Gregor Gysi am Mittwoch mit dem Landesvorsitzenden Thomas Nord und anderen. Um eine Aufkündigung der Koalition sei es allerdings nicht gegangen, hieß es. Seite 18

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