Die Sorge

Gesagt ist gesagt ...

  • Lesedauer: 2 Min.

Die Politiker tagen in Kopenhagen. Nachhaltig wird nur das traurige Gesicht sein, mit dem sie auch künftig, zu Unglücksorten gerufen, vor TV-Kameras treten. Abgekartete Spieler.
HERMANN VAN VEEN im Bayerischen Rundfunk

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Auch die Natur hat Pflichten, sie werden ihr vom Fernsehen aufgegeben. Und die Natur erfüllt diese Pflichten: Erdbeben, Überschwemmungen, Feuersbrünste. Wenn die Erde reißt, Dämme brechen, Wälder flammen, ja, dann kann das Fernsehen endlich SIE ins Gefecht schicken: die Sorgenvollen und Klagenden. Sie tauchen aus Ämtern und Parteibüros auf, sie tragen bei Überschwemmungen Stiefel und bei Bränden Helme; beides wird ihnen erst kurz vorher anprobiert, um sie nicht unnötig aus der Anzugsordnung zu reißen.

Macht die Natur mal eine Ruhepause und muss also das Fernsehen der dauerhaft aufzuheizenden Natur des Menschen mit ausführlichsten Berichten von einem Amoklauf aushelfen, dann tragen die hochdotierten Sorgenvollen nicht Stiefel oder Helme, sondern nur ihre sorgenvolle Miene. Sie vermeinen sie zu den Orten der Tragödien zu tragen, aber sie tragen sie zur Schau, welche das Fernsehen zum Beispiel gern »Brennpunkt« nennt. Das ist jene spontane Unterhaltungssendung, rasch eingeklinkt zwischen »Tagesschau« und ursprünglich geplanter Unterhaltungssendung.

Die Sorgenvollen sind übrigens identisch mit jenen Lächelnden, die dann, wenn es zum Beispiel um Verhandlungen über einen Krieg, eine Hungersnot oder den Umweltschutz für die Welt geht, gemeinsam vor die Kameras treten und – grinsen. Die jeweils amtierende Weltpolitik, die zwischen dem schreienden Unrecht dieser Welt herumstolpert, ist ein ständiges Kamera-Lächeln, als ginge es nicht erst zur Krisensitzung, sondern gleich zum Diner.

Man weiß nie, womit uns die Herrschaften gerade belügen, mit dem Lächeln oder der sorgenvollen Miene. Es ist eine schwere politische Arbeit, gerecht zu sein. Fernsehgerecht. hds

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