Widerstreit der Gegensätze

In der Johnen Galerie wird das Treppenhaus zur Dauerinstallation

  • Volkmar Draeger
  • Lesedauer: 3 Min.
Wilde Kontraste im Aufgang
Wilde Kontraste im Aufgang

Sie dürfte einer der jüngsten Neuzugänge in Mitte sein, die an der Marienstraße beheimatete Johnen Galerie. Ihr Leiter kommt aus Köln, wo er die sogenannte Düsseldorfer Schule vertrat und förderte. Vor vier Jahren eröffnete er eine Dépendance an der Schillingstraße, hat jetzt sein endgültiges Domizil bezogen. Bekannt wurde das Haus Marienstraße nicht nur als Sitz des Architekten O.M. Ungers, sondern auch, weil sich auf dem Hof eine Remise mit denkmalgeschütztem Bohlenbinderdach befindet. Nach dem Tod des Architekten erwarb Johnen das Objekt und funktionierte es zum Galerietrakt um, den er sich nun mit zwei namhaften Galeristen aus Hamburg und Wien teilt.

Die oberste Etage wurde sein Privatreich. Von dort aus nach unten, dies Johnens Gedanke, sollte der Flur eine Installation werden, die einer Edelsanierung entgegenwirkt. Gewinnen konnte er dafür den international renommierten Künstler Robert Kusmirowski aus Polen. Der 1973 in Lódz Geborene lässt im Treppenhaus Weiß und Schwarz aufeinanderprallen, nicht fein säuberlich, sondern in wildem Gegensatz.

Von Katharina Fritschs Skulptur eines porzellanenen Schädels auf der obersten Etage scheint das Schwarz nach unten zu tropfen. Dominiert oben noch Weiß, nur von Laufnasen und Schlieren gestört, gewinnt mit jedem Stockwerk das Schwarz die Oberhand, siegt schließlich auf ganzer Linie, lediglich durch nunmehr weiße Tropfspuren aufgelockert. Erst im Parterre finden die beiden Zustände zu ausgewogenem Miteinander: Von einer Linie aus läuft das Weiß wie im Wettstreit der Nasen das Paneel herunter zu Boden.

Weiß befleckt ist auch das schwarze Geländer; rechteckige oder ovale Rahmen mit Farbläufen, flankiert von ebenfalls getönten Wandleuchtern, zieren als Teil der Gesamtinstallation den Flur. Markanter Blickfang ist der im Zentrum des Geländers über mehrere Stockwerke herabhängende Kronleuchter mit sechs weißen Schalen, den ein Putto bekrönt und der dem Haus von 1830 antikisierende Atmosphäre gibt. Nur der rote Kokosläufer bringt Farbe in den Schwarz-Weiß-Kampf.

Die eigentliche Johnen Galerie stellt derzeit einen lettischen Maler aus. Gerade 28 ist Janis Avotins und kann doch schon auf einen ganz eigenständigen Stil verweisen. Lediglich acht Bilder von durchschnittlich 24 x 35 Zentimetern hängen in den beiden Räumen, weit voneinander entfernt und ohne jeden inhaltlichen Bezug. Auch Titel tragen die rahmenlos ganz dünn pastelltönig mit Öl auf Leinwand gemalten Arbeiten nicht. Beeindruckend sind sie indes allemal, zeigen sie doch bis zur Unsichtbarkeit verschattete Interieurs. Da sitzt ein Mensch am Schreibtisch, ein Strauß Callas respektive ein Kerzenleuchter versteckt ihn und strukturiert gleichsam den eher geahnten Raum.

Da hockt ein Mann sinnierend vor bläulicher Wand auf einem Stuhl, sein Blick bleibt ganz in der Bildfläche; ein anderer steht im Profil am Rand und weist entlang der Fläche, als sei ein Betrachter nicht vorhanden. Mehr noch löst sich eine konturlos weiße Gestalt ins Gelb des Grundes auf, als wolle sie jeden Moment verschwinden.

Zwei Männer stehen abgewandt hinter Stühlen, strahlen wie die übrigen Studien unendliche Stille aus. Raffiniert verdeckt eine sitzende Frau ihren Mann, von dem einzig der Umriss des Kopfes sie überragt. Inniges Verwobensein oder Dominanz, das bleibt hier die Frage.

Di.-Sa. 11-18 Uhr, Johnen Galerie, Marienstr. 10, Mitte, Telefon 27 58 30 30, Infos unter www.johnengalerie.de

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