Gefangene nicht vergessen

Seit über 20 Jahren gibt es die Silvester-Demos zum Untersuchungsgefängnis Berlin-Moabit

  • Lesedauer: 3 Min.
Vor der JVA Berlin-Moabit finden vor allem für politische Gefangene immer wieder Knastkundgebungen statt. Robert Schulz von der Gruppe »Anarchist Black Cross« bereitet mit anderen Berlinern die Demo »Silvester zum Knast« vor, die alle Inhaftierten adressiert. Mit ihm sprach Niels Seibert.
Gefangene nicht vergessen

ND: Am Silvesterabend, während andere zu Hause mit Sekt anstoßen, stehen Sie auf der Straße in Berlin-Moabit, warum?
Schulz: Seit über 20 Jahren gibt es die Silvesterdemo zum Knast in Moabit, um den dort inhaftierten Gefangenen, stellvertretend für alle Gefangenen, Grüße über die Mauer zu schicken. Gerade in der Zeit zum Jahresende, in der es viel um Familie, Zusammensein und Miteinander geht, ist es wichtig, den Inhaftierten zu zeigen, dass sie nicht alleine und vergessen sind. Die Gefangenen sind auch ein Teil der Gesellschaft, der allzu oft ausgegrenzt wird. Ausgrenzung und Isolation ist eine Funktion von Knästen. Und die wollen wir durchbrechen – mit unseren bescheidenen Mitteln.

Was kritisieren Sie außerdem an Gefängnissen?
Knast soll eine resozialisierende Wirkung haben. In den vergangenen Jahrhunderten hat sich jedoch gezeigt, dass diese Aufgabe nicht erfüllt werden kann. Im heutigen Gefängnissystem heißt Resozialisierung, Gefangene durch Arbeit und Zwang zu strebsamen, arbeitsamen Menschen zu erziehen, die sich in der Gesellschaft unterordnen statt aufmüpfig und widerständig zu sein.

Sie fordern eine »Gesellschaft ohne Knäste«. Ist das nicht eine etwas utopische Forderung?
Klar, das ist erst mal ein total utopischer Anspruch. Da Knäste ein ganz wichtiger Teil dieser Gesellschaft sind, kann ihre Abschaffung nur mit der Veränderung der momentanen Verhältnisse einhergehen – hin zu einer solidarischen Gesellschaft. Nichts weniger als das ist unsere Vorstellung.

Knast-Demos und Gefangenenarbeit sind keine hippen Themen in der Linken. Woran liegt das?
Viele Leute wollen sich nicht so gerne mit Sachen beschäftigen, die unangenehm sind oder auch weh tun. Deshalb kommen Knast- und Repressionsarbeit fast immer zu kurz. Es ist kein Thema, mit dem man große Erfolge erzielen kann wie bei der Antifaarbeit, wo man beispielsweise aussichtsreich gegen einen Naziladen kämpfen kann. Antirepressionsarbeit dagegen erfordert sehr viel Aufwand und Zeit, vor allem wenn Leute neu inhaftiert werden: Unterstützung, Geldsammeln, Öffentlichkeitsarbeit und die ganzen Kontakte herstellen, gerade zu Anwälten. Und das Wichtigste: Solidarität auf allen Ebenen organisieren und mit allen Mitteln.

Aber gerade in diesem Jahr, in dem es viele Repressionsfälle und Gefangene aus der sogenannten Szene gab, haben sich wieder mehr Leute mit Repression und Knast beschäftigt. Schade, dass es über so einen Weg laufen muss.

Was erwartet den Teilnehmer auf der Demo in der Silvesternacht?
Wir treffen uns um 22.45 Uhr am U-Bahnhof Turmstraße. Nach der Auftaktkundgebung gehen wir am Moabiter Gericht vorbei bis zum Knast. Dort werden wir etwa eine Stunde lang die Abschluss-Kundgebung abhalten, Grußworte von Gefangenen verlesen und die Hip-Hop-Gruppe Collectiv Mary Read wird ein paar Songs live für die Gefangenen spielen.

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