- Politik
- Gasbohrung in der Nordsee
Bundesrat uneins zu Erdgasprojekt bei Borkum
Noch kein Gesetz zum Abkommen mit den Niederlanden – Umweltausschuss hat große Bedenken
Wie es mit den Gasförderplänen des niederländischen Unternehmens One-Dyas weitergeht, ist derzeit noch offen. Ein Sprecher des Bundesrates erklärte, dass sich im kommenden Jahr zunächst der Bundestag erneut mit dem Vorhaben befassen werde. Anschließend werde das Thema wieder der Länderkammer vorgelegt. Sowohl Gegner als auch Befürworter des Projekts, das die Förderung von Erdgas in deutschen Küstenregionen sowie in den Niederlanden vorsieht, können daher weiterhin auf eine Entscheidung in ihrem Sinne hoffen.
In der letzten Bundestagssitzung des Jahres, die am Freitag stattfand und eine Vielzahl wichtiger Tagesordnungspunkte umfasste, wurde auch das Vertragsgesetz zur Erdgaserschließung beraten. Es soll dem bereits von beiden beteiligten Staaten unterzeichneten Abkommen eine rechtliche Grundlage geben. Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) hat sich in diesem Zusammenhang für eine Unterstützung der niederländischen Gasförderung ausgesprochen. Das Projekt, so Reiche, trage zur Versorgungssicherheit der beteiligten Länder sowie zur Stabilisierung des europäischen Gasmarktes bei.
Auch das Unternehmen One-Dyas äußerte sich positiv. Die geplante Erschließung der Gasfelder in der Nordsee stehe im Einklang mit den energiepolitischen Zielen der deutschen und der niederländischen Regierung. Eine heimische Gasförderung könne dazu beitragen, die Abhängigkeit von Energieimporten möglichst gering zu halten.
Seit die Pläne von One-Dyas im Jahr 2019 öffentlich bekannt wurden, regt sich jedoch erheblicher Widerstand gegen das Bohr- und Förderprojekt. Demonstrationen und Protestcamps mobilisierten zahlreiche Menschen und Organisationen, die um den Schutz des Wattenmeeres als anerkanntes Weltnaturerbe besorgt sind. Kritiker*innen verweisen unter anderem auf ein ökologisch wertvolles Steinriff, das Lebensraum für zahlreiche Arten wie Nordsee-Hummer, Taschenkrebse, Korallen, Seenelken und verschiedene Fischarten bietet.
Gegen verschiedene Schritte zur Umsetzung der One-Dyas-Pläne wurden zudem mehrere Klagen eingereicht, unter anderem von der Stadt Borkum, der Deutschen Umwelthilfe sowie von mehreren Bürgerinitiativen. Vertreter*innen der Umwelthilfe und der Klimabewegung Fridays for Future (FFF) übergaben am Tag der Bundesratssitzung dem amtierenden Präsidenten der Länderkammer, Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD), eine von rund 188 000 Menschen unterzeichnete Petition gegen die Gasförderung vor Borkum.
Die Argumente der Projektgegner*innen hatte der Umweltausschuss des Bundesrates in seine Empfehlung zur Ablehnung des Vertragsgesetzes aufgenommen. Diese Empfehlung fand jedoch ebenso wenig eine Mehrheit in der Länderkammer wie die Zustimmungsempfehlung des Wirtschaftsausschusses. Das Abkommen zur gemeinsamen Gasförderung widerspreche, so die Warnung des Umweltausschusses, den Zielen der Energiewende und stelle eine Gefahr für das hochsensible Ökosystem der Nordsee dar. Zudem sei zu berücksichtigen, dass das Vertragsgesetz nicht nur die Erschließung des sogenannten N05-A-Gasfeldes vor Borkum regle, sondern grundsätzlich »eine unbegrenzte Anzahl von Erdgasförderprojekten im deutsch-niederländischen Grenzgebiet« ermögliche.
Dem Argument, das Gasprojekt könne zur Sicherung der Energieversorgung beitragen, hielt der Umweltausschuss entgegen, dass das Bundeswirtschaftsministerium bereits am 1. Juli erklärt habe, es gebe keine Versorgungsengpässe und die Versorgungssicherheit sei gewährleistet. Darüber hinaus sei das Abkommen zwischen Deutschland und den Niederlanden nicht vereinbar mit »der internationalen Dimension des Klimaschutzgebotes«.
Diese Position teilt auch der niedersächsische Umweltminister Christian Meyer (Grüne). Neue Gasförderprojekte in einem derart sensiblen Meeresgebiet seien nicht nur überflüssig, sondern auch schädlich, erklärte der Politiker bereits im Vorfeld der Bundesratssitzung. Zwar habe das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) Bohrungen in der Nordsee genehmigt, an der grundsätzlich ablehnenden Haltung seines Ministeriums gegenüber einer Gasförderung vor Borkum habe sich jedoch nichts geändert, stellte Meyer klar. Der Schutz von Umwelt, Natur und Klima sowie des Wattenmeeres und der Insel Borkum müsse oberste Priorität haben.
Innerhalb der niedersächsischen Landesregierung besteht in dieser Frage jedoch keine Einigkeit. So hatte die Staatskanzlei von Ministerpräsident Olaf Lies (SPD) erklärt, das Fördervorhaben sei umfassend auf mögliche Umweltauswirkungen geprüft und anschließend genehmigt worden. Eine derartige fachliche und sachliche Entscheidung sei daher nicht zu beanstanden. Das LBEG hatte in diesem Zusammenhang unter anderem Horizontalbohrungen unter dem Meeresboden erlaubt.
Auf niederländischem Hoheitsgebiet wird von der One-Dyas-Plattform N05-A bereits seit März 2025 Erdgas gefördert. Auf deutscher Seite ist dies bislang nicht möglich. Dies liegt zum einen an der noch ausstehenden Zustimmung auf Bundesebene, zum anderen an laufenden beziehungsweise möglichen weiteren Klageverfahren, die von Umweltverbänden angestrengt werden.
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