Litauen in der Energiekrise

Reaktor abgeschaltet Unsichere Alternativen

  • Lesedauer: 2 Min.

Vilnius/Riga (dpa/ND). Die Lichter wurden zum Silvester-Countdown nur vorübergehend gedämpft – die wichtigste Energiequelle aber bleibt abgeschaltet. Eine Stunde vor Beginn des neuen Jahres ging der letzte Reaktor des Atomkraftwerkes Ignalina vom Netz. Litauen erfüllt damit eine Bedingung für die 2004 erfolgte Aufnahme in die EU – und hat keinen sicheren Ersatz für die Energieversorgung.

Ignalina im Norden Litauens deckte seit 1983 80 Prozent des heimischen Strombedarfs. So wichtig aber die beiden Reaktoren vom Typ des Unglücksreaktors in Tschernobyl mit ihrem Energieexport für die Nachbarländer Estland und Lettland waren, so sehr versetzten sie das westliche Ausland in Angst und Schrecken.

Der erste Reaktor wurde bereits 2004 stillgelegt, am vergangenen Silvesterabend wurde der zweite mit einer Leistung von 1320 Megawatt langsam heruntergefahren. Politisch hat sich die Regierung in Vilnius dieser tief greifenden Veränderung nur widerwillig gefügt. Sie verschärft die massiven Auswirkungen der Krise: Ein Prozent des Bruttoinlandsproduktes verliert Litauen laut der Danske Bank im Jahr 2010 durch die Schließung von Ignalina und den deshalb nötigen Energieimport.

Auch dass dieser Schritt die Balten wieder in viel stärkere Energieabhängigkeit vom ungeliebten Nachbarn Russland zwingt, gefällt Litauens Regierungschef Andrius Kubilius nicht: »Natürlich beunruhigt uns das.« Man sehe aber durchaus »positive Entwicklungen in der EU« und fühle sich dort auch »viel sicherer«.

Bisher gibt es einzig die Verbindung mit finnischem Atomstrom durch das Estlink-Kabel. Kabel von Litauen nach Polen und Schweden sind in Planung, aber frühestens 2015 einsatzbereit. Noch länger sind die Perspektiven für ein neues Atomkraftwerk bei Ignalina, das die baltischen Länder zusammen mit Polen planen. Vereinbarungen wurden immer wieder aufgeschoben, so dass neuer Atomstrom frühestens 2020 fließen könnte.

Hastig vorgelegte Pläne für Stromlieferungen aus der Ukraine erscheinen auch wegen ungelöster Probleme mit dem dazwischenliegenden Weißrussland wenig realistisch. »Die Schließung von Ignalina ist schlecht vorbereitet«, gab Sekmokas kürzlich zu. Und setzt auf das Prinzip Hoffnung: »Es geht ja an dem Schritt kein Weg vorbei. Das wird Veränderungen ganz einfach erzwingen.«

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