Weniger Straßenlicht und kein Schulessen

Auf der Suche nach Geldquellen: Viele Kommunen erhöhen Gebühren, Steuern und Eintrittspreise

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Höhere Steuern, teurere Knöllchen, die Schließung von Schwimmbädern oder keine Auszubildenden mehr: Die Finanznot infolge der Wirtschaftskrise macht die Kommunen erfinderisch.
Weniger Straßenlicht und kein Schulessen

Berlin (dpa/ND). »Kosten senken, Einnahmen steigern«, lautet die Devise für Städte und Gemeinden. Die Haushaltslage wird von den Kämmerern vielerorts als »katastrophal« beschrieben. Nach jüngsten Angaben des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden mussten die Kommunen bis Ende September einen Rückgang bei den Steuereinnahmen von 13 Prozent verkraften. Das Finanzierungsdefizit summiert sich für die ersten drei Quartale auf 6,7 Milliarden Euro.

Besonders dramatisch ist die Lage in Nordrhein-Westfalen. Die Städte ächzen unter einem Schuldenberg von 18 Milliarden Euro und steigenden Sozialausgaben. »Wir sind mit dem Kopf unter Wasser«, beschreibt WUPPERTALS Oberbürgermeister Peter Jung (CDU) die Lage. Im Haushalt klafft ein Loch von 220 Millionen Euro. Die Verwaltung hat vorgeschlagen, den Zuschuss für das Theater zu kürzen sowie fünf Schwimmbäder zu schließen. Die Elternbeiträge für Kindergärten sollen um 10 Prozent steigen, der Eintritt in den Zoo zwei Euro mehr kosten. In DORTMUND werden die Preise für den Zoo, Museen und den Westfalenpark angehoben. Um Personalkosten zu drücken, soll es vorerst keine Neueinstellungen mehr geben.

Die Stadt OBERHAUSEN hat schon ihr letztes Freibad geschlossen. Für die Verwaltung durfte die Stadt keine Auszubildenden einstellen. Um die leere Stadtkasse zu füllen, hat Oberhausen zudem eine Sexsteuer eingeführt. Davon erhoffen sich die Stadtväter jährliche Einnahmen von 175 000 Euro von den Bordellbetrieben. In KÖLN, wo das Haushaltsdefizit bei 540 Millionen Euro liegt, werden die Müll- und Straßenreinigungsgebühren 2010 steigen. Die SPD will zudem eine »Kulturförderabgabe« für Touristen einführen. »Klar ist: bei jeder Sache, die wir uns weiterhin leisten wollen, muss an anderer Stelle gekürzt werden«, sagt Stadtkämmerer Norbert Walter-Borjans (SPD).

Auch in Niedersachsens Landeshauptstadt HANNOVER wird sich der wegen eines Defizits von 160 Millionen Euro notwendige Sparkurs 2010 bemerkbar machen – etwa durch höhere Eintrittspreise für Bäder und Parks. Kürzungen bis Ausgaben für Bildung und Kinder sind aber tabu. »Das werden wir trotz aller Finanzprobleme fördern«, versichert eine Stadtsprecherin. In BREMEN muss in den kommenden Jahren »alles auf den Prüfstand« gestellt werden, um zu sparen, heißt es im Finanzressort. Auch in KIEL sagt ein Stadtsprecher: »Gespart werden muss in nahezu allen Bereichen.«

Die deutsche Hauptstadt BERLIN denkt dagegen nicht ans Sparen. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hält dies trotz Gesamtschulden von 66 Milliarden Euro in der Krisensituation für »kontraproduktiv«. Deshalb soll es mehr Geld für Bildung, Museen, Theater und Stiftungen geben.

In Hessen ist die Stadt OFFENBACH mehr als klamm. »Wir haben einen harten Sparkurs hinter uns, viel ist da nicht mehr rauszuholen«, meint ein Stadtsprecher. Das Defizit wird 2010 voraussichtlich auf 70 Millionen Euro wachsen. Etwa drei Prozent der für das kommende Jahr eingeplanten Ausgaben seien für freiwillige Aufgaben: »Wenn wir die einstellen, ist Kultur zu Ende, ist Sport zu Ende.« In KASSEL klafft 2010 ein Loch in gleicher Größe. »Wir werden den Bürgern nicht in die Tasche greifen, um die Steuerausfälle auszugleichen«, versichert Kämmerer Jürgen Barthel. Stattdessen ist der Abbau von 90 Stellen geplant.

HAMBURG hat ein Sparpaket von 1,15 Milliarden Euro für die kommenden vier Jahren beschlossen. Zudem sollen höhere Gebühren mehr Geld in die Stadtkasse bringen – etwa für Baugenehmigungen und anonyme Bestattungen. Auch die »Verwahrung« abgeschleppter Autos wird um zehn Euro teurer. In STUTTGART werden im Spar-Doppelhaushalt 2010/ 2011 die Vergnügungs- und Grundsteuer erhöht. Zudem wird eine Zweit-Wohnungssteuer eingeführt. MANNHEIM will allein beim Personal sechs Millionen Euro sparen sowie Schulstandorte und ein Hallenbad aufgeben.

In ROSTOCK sollen mindestens drei der acht Ortsämter geschlossen werden. »Die Bürger werden sich 2010 auf längere Bearbeitungszeiten einstellen müssen«, sagt ein Rathaus-Sprecher. SCHWERIN will darauf verzichten, ein kostenloses Mittagessen für Grundschüler einzuführen. Auch die Straßenbeleuchtung soll nicht mehr so lange brennen. Die Thüringische Landeshauptstadt ERFURT will mit einem Einstellungsstopp fünf Millionen Euro einsparen. Einziger Lichtblick für die Bürger: Die Müllgebühren sollen im kommenden Jahr sinken. »In dem Bereich haben wir noch Einsparpotenziale entdeckt«, sagt Oberbürgermeister Andreas Bausewein.

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