Steinbach erpresst Merkel

Vertriebenen-Chefin will nur verzichten, wenn Regierung weitreichende Forderungen erfüllt

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Die neuen Vorschläge von Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach für die Besetzung des Rates der Stiftung »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« rufen gespaltene Reaktionen hervor. In der Union stieß Steinbach am Dienstag auf Zustimmung, die Opposition reagierte zum Teil mit Empörung.

Berlin/Bonn (epd/ND). Die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV), Erika Steinbach, will unter bestimmten Bedingungen auf einen Sitz im Stiftungsrat verzichten. Voraussetzung sei unter anderem, dass der BdV mehr Sitze in dem 13-köpfigen Rat erhalte, erklärte Steinbach in Bonn. Zudem sollten die Institutionen künftig ohne Zustimmung der Bundesregierung entscheiden können, wen sie in den Rat entsenden.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) kündigte ebenso wie Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) an, die Bundesregierung werde den Vorschlag prüfen. Westerwelle sagte, es gehe darum, die deutsch-polnischen Beziehungen nicht zu beschädigen.

Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), hält eine Änderung des Stiftungsgesetzes für möglich. Es hänge jetzt von der FDP ab, ob es im Bundestag eine Mehrheit dafür gibt. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe nannte den Vorschlag »konstruktiv«, für Unionsfraktionschef Volker Kauder ist er sogar »zielführend«. Dass Steinbach ihre Bereitschaft zum Verzicht an verschiedene Bedingungen knüpfe, ist laut Kauder »auf gar keinen Fall eine Erpressung, sondern der Versuch, zu einem politischen Kompromiss zu kommen«. CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich appellierte an die FDP, Steinbachs Vorschlag zuzustimmen. Hans-Peter Uhl (CSU), innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, schlug vor, dem BdV sechs Sitze im Stiftungsrat zuzugestehen.

Die Grünen wiesen den Vorschlag dagegen als »inakzeptabel« zurück. »Das ist eine bodenlose Unverschämtheit«, sagte Fraktionschefin Renate Künast der »Rheinischen Post«. Steinbach wolle dem Bundestag eine Gesetzesnovelle unterschieben, nach der die Bundesregierung nicht mehr beeinflussen solle, wer das deutsche Volk im Bemühen um Versöhnung repräsentiere. Linksfraktions-Vorstandsmitglied Petra Pau sprach von nur noch peinlichem politischen Geschacher. Der Bundestag sollte sich endlich eingestehen, dass diese ganze Stiftungs-Idee ein Spiel mit dem Feuer war, das keine Gewinner kenne. Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) forderte die Bundesregierung auf, sich in einer für das deutsch-polnische Verhältnis »so wichtigen Frage nicht erpressen« zu lassen und verwies darauf, dass Brandenburg als einziges Bundesland die Pflege guter Beziehungen mit dem Nachbarn Polen in den Verfassungsrang erhoben hat. Bundestagsvize Wolfgang Thierse (SPD) sagte dem »Tagesspiegel«, Sinn des Stiftungs-Projektes sei das Gedenken an die Leiden und Opfer von Flucht und Vertreibungen sowie die Versöhnung mit den osteuropäischen Nachbarn. Dieses Anliegen würde zerstört, wenn sich Union und FDP auf Steinbachs Bedingungen einließen.

Die Stiftung »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« soll im Deutschlandhaus in Berlin eine Dokumentationsstätte und Ausstellung über Vertreibungen am Ende des Zweiten Weltkriegs aufbauen. Westerwelle hatte angekündigt, sein Veto gegen eine Nominierung Steinbachs für das Gremium einzulegen. Die CDU-Bundestagsabgeordnete ist in Polen umstritten, weil sie 1991 im Bundestag nicht für die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze stimmte und sich gegen den EU-Beitritt Polens aussprach.

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