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Selbsterlebtes

Wolfgang Hütt: »Es gibt kein Arkadien«

  • Martin Weskott
  • Lesedauer: 2 Min.

Der Autor, renommierter Kunsthistoriker und Mitarbeiter der Zeitschrift »Bildende Kunst«, war selbst beteiligt an den Auseinandersetzungen, die mit der sogenannten Formalismuskampagne in den 50er Jahren in der DDR verbunden waren. In den 80ern begann er, das Geschehene von damals literarisch aufzuarbeiten. Ein Beitrag in einem Heft der »Bildenden Kunst« 1983 – »Eine Kunstdiskussion vor 25 Jahren« – führte zur Weisung, »das Aufkochen« dieser Ereignisse zu unterlassen. So wählte Wolfgang Hütt eine romanhafte Gestaltung. Das 1988 abgeschlossene Romanmanuskript wurde vom Hinstorff Verlag zur Veröffentlichung angenommen, aber nicht mehr als Buch herausgebracht.

Die Personen und ihre Biografien sind fiktiv. Es hat aber Leute gegeben, die man in den Romangestalten wiedererkennen könnte. So den Sekretär der SED-Bezirksleitung, der wegen seiner aufgeschlossenen Einstellung den Künsten gegenüber abgelöst wird. Oder einen miserabler Maler, der als Dogmatiker persönlich profitierte, indem er als »geheimer Informant« und durch Veröffentlichungen Material lieferte zur Verdammung seiner Künstlerkollegen; im ND und in der »Freiheit« war es nachzulesen. Besagter Künstler schuf für den Hauptbahnhof von Dessau ein Wandbild: marschierende FDJler mit blauer Fahne. Wie der Maler Carl Marx herausfand, gab es von jenem Maler aus seinen Studienjahren ein Aquarell, auf dem Hitlerjungen mit Hakenkreuzfahne marschieren.

Wie bei einem Studentenpraktikum auf dem Fischland eine gut gemeinte Begegnung mit einem Journalisten anlässlich einer Kunstausstellung zu einer Konfrontation mit Folgen gerät, ist eine der spannenden Geschichten in diesem Roman, der aus verschiedenen Figurenperspektiven erzählt ist. Wie die Fiktion von der Wirklichkeit eingeholt wird, ist anhand eines ND-Artikels nachgezeichnet. Ein weiterer Höhepunkt ist die Auseinandersetzung um die Winterausstellung 1957/58. Schließlich führt eine Reise von Künstlern aus der DDR in die Bundesrepublik zum Wiedersehen mit Kollegen, die wegen der Formalismuskampagne die DDR verlassen hatten.

Diese Reise findet 1986, nach dem Tschernobyl-Unglück, statt. Die Begegnung verbindet sich mit Erinnerungen, die bis in die 50er Jahre zurückführen. Tina, eine der Gestalten, trifft ihren früheren Geliebten wieder und fragt sich, ob für sie beide ein Neubeginn möglich sei. Auch etwickelt sich zwischen einem jüngeren Maler aus der DDR und einer westdeutschen Journalistin eine Liebesbezie- hung ...

Ringen um die Freiheit der Kunst allen Einschüchterungsversuchen zum Trotz – Wolfgang Hütt hat einen Roman geschrieben, den man nicht zur Seite legt, es sei denn, man hat ihn bis zur letzten Seite durchgelesen.

Wolfgang Hütt: Es gibt kein Arkadien. Roman. Projekte-Verlag. 328 S., geb., 22,50 €.

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