Weißes Gold

Meißen: 300 Jahre Porzellanmanufaktur

  • Klaus Bruske
  • Lesedauer: 2 Min.
Deckelvase, 1730
Deckelvase, 1730

Mit Stolz geschwellter Brust gab Sachsen vor 300 Jahren eine Sensation bekannt: die Gründung der ersten Porzellanmanufaktur in Europa, ja in der gesamten westlichen Hemisphäre. August der Starke, König von Polen, Kurfürst von Sachsen und Markgraf zu Meißen, ließ am 23. Januar 1710 die Großtat weithin verkünden. Bald darauf, mit dem Edikt vom 7. März 1710, ließ der »starke August« die junge Manufaktur aus dem Laboratorium des Porzellan-Nacherfinders Johann Friedrich Böttcher (1682-1719) in den Kasematten der Jungfernbastei zu Dresden nach Meißen, auf das Schloss seiner Väter, auf die spätgotische Albrechtsburg, verlegen. Dort nahm die Porzellan-»Bäckerei« am 6. Juni 1710 ihre Arbeit auf.

Noch heute befindet sich in Meißen, allerdings seit 1864 nicht mehr hoch über der Elbe, sondern ihr zu Füßen im Ortsteil Triebischtal, die Produktionsstätte des weltberühmten feinen Porzellans. Der sächsische Staatsbetrieb beschäftigt 800 Spezialisten; unter Böttcher war mit 22 begonnen worden. Das Erfolgsrezept: modern, jedoch nicht modernistisch. Echtes Meißner »Weißgold« atmet auch nach drei Jahrhunderten noch immer einen Hauch aus der Zeit des »sächsischen Sonnenköniges«. Doch wie kam es zur Erfindung dieser Luxusmarke?

Eine von Augusts »Geheimwaffen« war Ehrenfried Walther von Tschirnhaus. Der Naturwissenschaftler und Weltmann hatte sich schon lange mit dem Gedanken getragen, die sündhaft teuren Importe aus Ostasien abzulösen, ja in eigene Exporte umzukehren. Das mitteldeutsche wirtschaftliche Musterländle des 18. Jahrhunderts hatte hierzu dank seiner langen Handwerks- und Bergwerkstradition die denkbar besten Voraussetzungen. Die benötigten Materialien, vor allem das hochreine Kaolin, lagerten gleichsam vor der Haustür, und am rechten Fachwissen war kein Mangel.

Doch kam Ehrenfried Walther mit seinen Versuchen nicht so recht vom Fleck – bis ihm durch Zufall 1701 der mit knapper Not der rasenden Wut des ersten Preußenkönigs Friedrich I. entronnene Apotheker Alchimist Johann Friedrich Böttcher, der nicht wie versprochen Gold zauberte, in die Hände fiel. Der war das lang gesuchte Genie, hatte das richtige Händchen für die rechten Mixturen. Böttcher erfand, was ihn unsterblich machen sollte: nach dem ersten europäischen rotbraunen (1707) das jungfräulich-weiße (1708) Porzellan. Über dessen Flair schrieb Mitte der 1920er Jahre der damalige Direktor der Meißner Manufaktur Adolf Pfeiffer: »Das Wesen des Porzellans wurzelt im Licht. Es trinkt das Licht in sich hinein und strahlt es tausendfach gebrochen als weißes Licht zurück. So ist der weiße Schein sein eigenes Wesen, das es sich selber gibt. Jenes innere Licht gilt es zur höchsten Entfaltung zu bringen.«

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