Menschen. Feind

Deutsches Theater:

  • Lesedauer: 2 Min.

Menschenfeind zu werden, ist die Folge der Wahrheitsliebe. Man kann nur die Wahrheit lieben oder die Menschen. Menschenfreundlichkeit wäre Einverständnis mit Heuchelei, mit zweckdienlicher, schmeichelverpackter Egomanie. Alceste hält das nicht mehr aus, er spricht Klartext, fanatisiert sich hinein in den Abriss der Moralkulissen. Menschen bröckeln. Die Herzen zeigen Leben, wo sie gebrochen werden. Aber die Wahrheit, ausgeworfen, wird nicht zu jenem großen, befreienden Wurf, der Menschen neu zusammenführt. Es bleibt nur das Lachen über den faden Schein, der da als Sein durchgehen darf.

Andreas Kriegenburg hat Molières bissige Farce in den Kammerspielen des DT inszeniert, aber eben nicht bissig, nicht als Farce, sondern als einen traurig-resignativen Partyreport – ein ausgekühlter Blues über die Angst vor Einsamkeit; Angst, die das produziert, was sie verhindern will.

Alceste (Jörg Pose) tobt sich zum Wuthochdruck hinauf, Dichter Oronte (Alexander Simon) pflegt seinen Geiferton, Judith Hofmann (Céliméne) spielt mit den Männern, deren Fantasien sich an ihr entzünden – dazu Tango, Knabberzeug und Sekt. Die Gesichter erscheinen in rücksichtslos hautnaher Größe auf der Videoleinwand, der Wunsch nach Schminke wird da zur verständlichsten Sehnsucht, um nicht sich nackt zu fühlen. Theater als Laborexperiment: wie das Böse in die Welt kommt – über die Mühen des Menschen, so gut zu sein, dass er geliebt wird ... hds

Nächste Vorstellung: 22. Januar

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