Westerwelle jettet jenseits von Afghanistan

In Guttenbergs Verteidigungsministerium wird derweil die Londoner Konferenz vorbereitet

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Kein Lob für Schwarz-Gelb: Innenpolitisch zerstritten und außenpolitisch nicht ernst zu nehmen. Die Frage, wie es weitergehen soll mit und in Afghanistan, ist international aufgerufen, doch Deutschland hat keine Antwort. In zwei Wochen startet in London die Afghanistan-Konferenz.

Die erste Verpflichtung, nach Antworten für eine friedliche Entwicklung Afghanistans zu suchen, liegt natürlich beim Auswärtigen Amt. Doch dessen Chef Guido Westerwelle (FDP) jettet durch die restliche Welt. Ein Regierungs-Airbus trug ihn nach Saudi-Arabien, Katar und in die Vereinigten Arabischen Emirate. Beim Zwischenlanden kommentierte er, was daheim alles zu »seinem« Thema von anderen gesagt worden ist. Am Wochenende kehrte er zurück und berichtete stolz, er sei auch in Jemen gewesen, jenem Land, das von den USA seit Weihnachten – neben Afghanistan – zum Hort des Terrorismus bestimmt wurde. Seine einzige Botschaft: Angeblich kennen die jemenitischen Behörden den Aufenthaltsort einer entführten deutschen Familie. Das weiß der Krisenstab seines Amtes seit Wochen.

Dass die Kanzlerin ihren Vize nach seiner Rückkehr am Sonntag – samt komplettem Kabinett – dennoch zum Abendessen lud, muss andere Gründe haben. Beispielsweise Afghanistan. Denn wenn man in London nicht ganz der längst vorbereiteten US-Strategie unterliegen will, die mehr europäische Solidarität, sprich mehr Soldaten einfordert, dann wird es höchste Zeit für eine Linie. Zumal auch die Opposition im eigenen Parlament immer lauter nach Beteiligung an solchen Überlegungen ruft.

Außenminister Westerwelle hat schon vor rund zwei Wochen eine NATO-Truppenaufstockung abgelehnt. Ginge es in London nur darum, käme er nicht, sagte er und ließ kurz darauf dementieren, dass er zu einem Boykott aufgerufen zu habe. Dass der Außenminister und Vizekanzler Vorschlägen zur Aufstockung und Erweiterung des Mandats ablehnend gegenübersteht, hat sich nun schon bis zur »Leipziger Volkszeitung« herumgesprochen. Die weiß: Westerwelle hat es bereits in zwei Gesprächsrunden des Afghanistan-Entscheidungskreises bei der Kanzlerin abgelehnt, sein Ja zu einer Verstärkung der deutschen Kampfeinheiten in Afghanistan zu geben.

Derweil macht der Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg (CSU) Außenpolitik mit Köpfen. Die sitzen in seinem Ministerium und basteln an einer Variante der deutschen Afghanistan-Aufrüstung, die Obamas Militärs zufriedenstellt. Da die sich gewiss nicht mit ein paar zusätzlichen Polizeiausbildern beschwichtigen lassen, bieten die Bundeswehr-Obersten ein Plus von 1000 Soldaten und basteln an einem neuen Ausbildungskonzept für die afghanischen Sicherheitskräfte. Dessen Kern: Die Ausbildung findet nicht mehr nur auf Übungsplätzen statt, die Ausbilder begleiten die Auszubildenden in den Kampf. Führung von vorne nennt man so etwas.

Doch auch auf anderen Gebieten hat der Verteidigungsminister längst die Meinungshoheit zu Afghanistan übernommen. Er macht Schlagzeilen mit der EKD-Ratsvorsitzenden Margot Käßmann. Die Landesbischöfin hatte in ihrer Weihnachtspredigt beklagt, dass sich in Afghanistan nichts zum Guten bewege. Kurz entschlossen lud sie der Minister zum halbstündigen Gespräch und demnächst zum Truppenbesuch nach Afghanistan ein. Guttenberg ist sich bewusst: Gegen die Kirchen ist keine Kriegspolitik zu machen. Ergebnis des Gespräches: Mit Guttenberg habe sie »gar nicht so viele Meinungsverschiedenheiten«, sagte Käßmann. Sie begreife schon, dass in Afghanistan im Moment Waffen auch dem zivilen Aufbau dienen können. Zudem sei der Minister katholischer Christ und habe wohl verstanden, dass es »immer einen Vorrang für zivil geben« müsse.

Ach ja, Westerwelle: Am Mittwoch fliegt der Außenminister schon wieder los – diesmal nach China und Japan. Seite 4

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