Warme Worte reichen nicht

17. Bundesfrauenkonferenz des DGB tagte in Berlin

  • Ina Beyer
  • Lesedauer: 3 Min.
Ende vergangener Woche fand in Berlin die 17. Bundesfrauenkonferenz des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) statt. Dabei diskutierten auch Bundespolitikerinnen zur Frage: »Quo vadis, Frauenpolitik?«

Alle vier Jahre tagt die Bundesfrauenkonferenz des DGB. Dort geht es darum, den aktuellen Stand in Sachen Geschlechterpolitik zu erfassen und Perspektiven für die Zukunft zu entwickeln. Heute gibt es in Deutschland die bestausgebildete Frauengeneration aller Zeiten. Häufiger starten Frauen mit ähnlichen Positionen wie ihre männlichen Kollegen, doch je weiter sie nach oben wollen, desto dünner wird noch immer die Luft. Mit 23 Prozent Lohngefälle gehört Deutschland im EU-Vergleich zu den Schlusslichtern.

80 Prozent der Teilzeitjobs werden hierzulande von Frauen erledigt, in anderen EU-Ländern arbeiteten Frauen viel häufiger Vollzeit, kritisierte die Vizechefin der Grünen-Fraktion im Bundestag, Ekin Deligöz, am Freitag bei einer Diskussionsrunde. Deutschland sei dagegen an der Spitze bei der ehelichen Versorgung. Viele Frauen blieben nach wie vor zu Hause, würden dadurch »aus den sozialen Sicherungssystemen rausgehauen«, was perspektivisch, wie Deligöz polemisierte, dazu führe, dass »Deutschland an der Spitze bei der Altersarmut von Frauen ist«.

An der Gesprächsrunde nahmen Vertreterinnen aller Bundestagsfraktionen und DGB-Chef Michael Sommer teil. Dieser räumte ein, dass die Etablierung eines ausgedehnten Niedriglohnsektors unter Rot-Grün große Rückschritte in der Frauenpolitik bedeutet habe, da der Großteil der dort Beschäftigten Frauen seien. Sommer hob dagegen die DGB-Kampagne »Ich bin mehr wert« als politischen Ansatz hervor. Diese fordert einen »Dreiklang« aus Entgeltgleichheit, Karrierechancen und Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Frauen.

Im schwarz-gelben Koalitionsvertrag fänden sich zum Thema Gleichstellung »maximal warme Worte«, kritisierte die frauenpolitische Sprecherin der LINKEN, Cornelia Möhring. Dringend notwendige verbindliche Forderungen wie etwa ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft fehlten.

Sybille Laurischk (FDP) dagegen verteidigte die Entwicklung einer eigenständigen Männer- und Jungenpolitik, wie im Vertrag festgehalten. Die Jungen gehörten zunehmend zu den Bildungsverlierern. Beim Publikum fand Laurischk mit dieser Haltung wenig Freundinnen. Sie fühle sich »veralbert«, meldete sich die Landesvorsitzende des DGB-Bezirks Berlin-Brandenburg, Doro Zinke, zu Wort. Jahrelang habe man jungen Frauen eingeschärft, sich mehr zu bilden, um damit ihre berufliche Chancengleichheit zu erhöhen. Nun, da sie aufgeholt hätten, belohne man sie nicht etwa mit angemessenen Jobs, sondern deklariere die Jungen zu Bildungsverlierern.

Lebhafte Diskussionen entfachte auch das von Schwarz-Gelb geplante Betreuungsgeld. Dieses stärke das existierende System, in dem Frauen zu Hause bleiben, kritisierte Ekin Deligöz. Offenbar stehen selbst Vertreterinnen von FDP und CDU nicht zu dem Vorhaben. Das Konzept sei »noch nicht ausgereift«, gab die frauenpolitische Sprecherin der Unions-Fraktion, Elisabeth Winkelmeier-Decker, zu.

Breiten Zuspruch fand die Idee, fraktionsübergreifend Anträge zu frauenpolitischen Themen zu verabschieden, um so zu mehr Durchsetzungsfähigkeit gegenüber den fraktionsübergreifenden »Männerseilschaften«, die Michael Sommer bestätigen konnte, zu erreichen. Ob dieses Instrument in der Paxis tatsächlich eingesetzt wird oder ob es sich auch dabei um »warme Worte« einer Konferenz handelt, wird sich zeigen müssen.

Forderung gleiches Entgelt

Ein Schwerpunkt der Gleichstellungspolitik im DGB war in den vergangenen Jahren das Thema »Entgeltungleichheit«. Im April 2008 beschloss der Bundesfrauenausschuss ein Positionspapier, in dem unter anderem ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft, die Abschaffung des Ehegattensplittings sowie die Schaffung von ausreichend Infrastruktur (zum Beispiel Kinderbetreuung) und geeigneten arbeitszeitlichen Rahmenbedingungen gefordert werden, damit sich Familie und Beruf besser vereinen lassen.

Weiter wollen die DGB-Frauen ein eigenständiges (erweitertes) Verbandsklagerecht für Gewerkschaften erzielen. Die Bundesregierung soll einen aktuellen Einkommensbericht vorlegen. Fundiertes Datenmaterial bezogen auf Unternehmen und Branchen müsse erhoben, Berufsbilder müssten verglichen und überprüft werden. Verlangt wird auch ein EU-Ländervergleich über nationale Aktivitäten, die geschlechtsspezifischen Einkommensdisparitäten entgegengewirkt haben sowie ein aus EU-Mitteln gefördertes Qualifizierungsprogramm für den gewerkschaftlichen Rechtsschutz wie auch für Richterinnen und Richter. IB

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