Porzellan als Zukunftsbranche?

Christian Kurtzke über stabile Wurzeln und neue Herausforderungen / Kurtzke ist Geschäftsführer der Staatlichen Porzellan-Manufaktur Meissen die heute ihren 300. Gründungstag feiert

  • Lesedauer: 3 Min.
Fragwürdig: Porzellan als Zukunftsbranche?

ND: Die Manufaktur Meissen gilt als Mutter aller Porzellanmanufakturen. Große Namen der Branche sind vom Markt verschwunden. Droht ihnen das gleiche Schicksal?
Kurtzke: Die Manufaktur hat in den 300 Jahren viele Krisen und Modewellen überdauert, auch elf Kriege und sechs politische Systeme. Sie wurde von 25 Direktoren und Generaldirektoren geprägt. Das Werk ist ein einzigartiges deutsches Kulturgut, das wir nicht nur hüten, sondern nutzen. Ich bin vor einem Jahr geholt worden, um das Unternehmen zu sanieren. Wir zelebrieren unsere Vergangenheit, wollen aber vor allem unsere Zukunft gestalten.

Sanieren heißt Kosten sparen und Personalabbau. Schicken Sie die Porzellankünstler in die Arbeitslosigkeit?
Die Entwicklung unserer Mitarbeiterzahl von einst 2000 auf heute 800 ist nicht überzubewerten. Dazu gehörten beispielsweise Dachdecker und weitere fachfremde Arbeiter, von denen wir uns trennen mussten. Das sind normale Prozesse. Die Sanierung erfolgt ja nicht nur über Kostendeckung, sondern vor allem über Wachstum. Wir haben Lohnsteigerungen. Und wenn wir nicht wachsen, können wir nicht überdauern. Wachstum geht nur langsam und mit Innovationen. In einer Phase, wo entscheidende Märkte wie Russland eingebrochen sind, haben wir es geschafft, den Umsatz 2009 zu halten – gegen den Trend in der Branche. Wenn ich alles zusammen zähle, dann ist die Manufaktur mit den Innovationen im Bereich Tisch und Tafel, Inneneinrichtung und Schmuck im Jahr 2009 mehr als jemals in den letzten Jahren durch Innovationen gewachsen.

Es heißt ja, Sie wollten mit einem »Mythos« aufräumen?
Es reicht nicht, als Kulturgut zu überdauern. Ja, die Manufaktur hat die europäische Tisch- und Tafelkultur geprägt. Dass der Henkel an der Tasse ist, verdanken wir dem Hofbildhauer Johann Joachim Kaendler und damit Meißen. Und obwohl wir mit dem Zwiebelmuster das erfolgreichste Dekor auf den Markt gebracht haben, ist das nur eine Seite. Tragende Säulen sind heute Inneneinrichtung und Kunst. Es geht um die Gestaltung ganzer Räume von der Wand über die Decke bis zum Boden einschließlich der Leuchter, Bodenvasen, Großplastiken und Gemälde. Für das neue Architekturprogramm in verschiedenen Stilwelten und Farbqualitäten werden wir all unsere künstlerisch-handwerkliche Kompetenz ausspielen und es gemeinsam mit internationalen Architekten im gehobenen Bereich an den Markt bringen. Ich denke an Bäder, Saunen oder Küchen, Lobbys und Suiten, Hotels und Villen.

Aber Meißen und Schmuck ist doch eher ungewöhnlich, oder?
Gehen wir 300 Jahre zurück: Böttger strebte nach dem weißen Gold und fand zunächst das braune Steinzeug. Hofgoldschmied Johann Jakob Irminger gestaltete daraus Stücke mit Gold und Rubinen. Schmuck ist der Ursprung der Manufaktur. Wir haben uns unserer Wurzel besonnen.

Die Manufaktur war von Anfang an ein Staatsbetrieb. Seinerzeit hat August der Starke, wenn nötig, in die Schatulle gegriffen. Ist heute eine solches Unternehmen überhaupt noch rentabel zu führen?
Ich verstehe mich als Unternehmer, deshalb erübrigt sich die Frage, ob es einen staatlichen oder privaten Gesellschafter gibt. Mein Ziel sind nicht maximale Subventionen. Ich will beweisen, dass mit Umbaumaßnahmen, Produkt- und Konzeptinnovationen das Unternehmen mittelfristig sehr erfolgreich sein kann. Das gelingt nicht über Nacht. Aber wir sind unterwegs.

Fragen: Steffi Schweizer

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