»ND erwähnte mich nur im Nebensatz«

Katrin Sass über den Filmpreis »Paula«, die Berlinale und ihre Arbeit für die DEFA

  • Lesedauer: 3 Min.
»Paula« taufte der Progress-Filmverleih seinen Filmpreis, der zu seinem 60. Jubiläum am Sonntag in Berlin das erste Mal verliehen wird. Geehrt werden Künstler, die sich um das Filmschaffen der DDR verdient gemacht haben. Erste Preisträgerin ist Katrin Sass, die für »Bürgschaft für ein Jahr« 1982 den Silbernen Bären der Berlinale gewann. 1987 war sie mit »Haus am Fluss« und 2003 mit »Good Bye, Lenin!« im Wettbewerb vertreten. Mit Sass sprach Katharina Dockhorn.
Die Schauspielerin Katrin Sass erhält den neuen Filmpreis »Paula«.
Die Schauspielerin Katrin Sass erhält den neuen Filmpreis »Paula«.

ND: Der Preis verdankt seinen Namen der »Legende von Paul & Paula«. Sie haben sicher besondere Verbindungen zu diesem Filmklassiker, da Regisseur Heiner Carow Ihnen 1979 eine ihrer ersten Rollen in »Bis dass der Tod Euch scheidet« gegeben hat?
Sass: Ganz ehrlich? Ich war im 3. Studienjahr an der Schauspielschule und wusste mit dem Namen Heiner Carow nichts anzufangen, als er mich zum Vorsprechen nach Babelsberg eingeladen hat. Zur Premiere ging ich ja noch zur Schule, da hat mich das nicht besonders interessiert. Die Lücke habe ich dann schnell geschlossen.

Bekommt die »Paula« jetzt einen Ehrenplatz?
Ich bin glücklich, die Erste zu sein, die diesen Preis erhält. Der schönste Preis bleibt jedoch der Silberne Bär. Damals war ich 25 und habe mich wie ein naives Kind über ihn gefreut, weil er völlig überraschend kam. Jetzt bin ich langsam erwachsen geworden und mir ist bewusst, wofür ich geehrt werde.

Wie haben Sie Ihre erste Berlinale 1982 erlebt?
Als mich der Direktor des Theaters in Halle informierte, der Film sei zur Berlinale eingeladen, bin ich fast vom Hocker gefallen. Ich dachte instinktiv, irgendwas werden sich die Genossen schon einfallen lassen, um mich nicht fahren zu lassen. Überraschend bekam ich dann doch meinen Pass für fünf Tage und für jeden Tag fünf DM sowie Verpflegungsbons ausgehändigt, die wir im Mövenpick einlösen konnten. Gemeinsam mit Autorin Gabriele Kotte und Regisseur Herrmann Zschoche bin ich dann mit der S-Bahn zum Bahnhof Zoo gefahren. Auf dem Weg zum Hotel dachte ich plötzlich, hier fahren nur Westwagen und fühlte mich wie im Schlaraffenland. Es war immer hell. Ich dachte nur, das ist die reinste Verschwendung und habe andererseits begriffen, was »Dunkel-Deutschland« bedeutet.

Im Gegensatz zu Renate Krößner, die 1980 von Konrad Wolf mit seinem Diplomatenpass zur Preisverleihung geschmuggelt werden musste, durften Sie in West-Berlin bleiben. Haben Sie viele Filme gesehen?
Ich erinnere mich noch an Woody Allens »The Purple Rose of Cairo«. Vor der Preisverleihung lag ich dann mit Fieber im Bett. Gabriele Kotte hat mich mit Hausmitteln hochgepäppelt. Am nächsten Morgen bin ich im Bikinihaus bummeln gewesen. Mir gefiel eine Steppjacke, die 30 DM kosten sollte. Der Verkäufer erkannte mich und gab sie mir für 25 DM. Das hatte etwas Berührendes und ich habe einen Moment gedacht, wenn das immer so ist, warum bleibst Du nicht?

Sie sind aber zurückgekehrt?
Ich hatte doch meine Familie und meine Freunde hier. Thomas Thieme, der damals einen Ausreiseantrag laufen hatte, konnte es dagegen nicht fassen, dass ich mit dem Bär ins »Dunkel« zurückkehrte. Die Feiern und das Interesse der Presse waren auch schlagartig vorbei. Das »Neue Deutschland« erwähnte mich nur in einem Nebensatz. Anschließend habe ich zwei Jahre nur Theater gespielt. Ich bekam keine Rollen mehr bei der DEFA. Nach der Wende habe ich aus meiner Akte erfahren, dass dies kein Zufall war. Die HV Film wollte mich und andere Preisträger von westlichen Festivals wieder auf den Boden zurückholen.

1987 waren Sie mit »Haus am Fluss« wieder da.
Ich erinnere mich noch genau an die Pressekonferenz. Ich wurde gefragt, ob ich mich als Star fühle. Der Chefdramaturg der DEFA nahm mir das Mikro weg und hat für mich geantwortet. Er wollte wohl vermeiden, dass ich über mangelnde Filmangebote spreche.

Trotzdem blicken Sie nicht mit Zorn auf Ihre DEFA-Jahre zurück?
Es gibt viele Filme, die es wert sind, heute wieder gezeigt zu werden. Nicht nur im Osten, sondern auch im Westen, wo sie kaum bekannt sind. Durch die »Paula« wird man hoffentlich wieder ein wenig darauf aufmerksam.

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