Das Pentagon will Revanche

USA dehnen Krieg gegen Osama bin Laden auf Pakistan aus

  • Max Böhnel, New York
  • Lesedauer: 3 Min.
Pentagon-Einheiten operieren seit mindestens eineinhalb Wochen auf pakistanischem Territorium, wie jetzt US-amerikanische Medien berichten.
Schon Mitte vergangener Woche hatte die »New York Times« erstmals Vermutungen bestätigt, dass sich die USA bei der Bekämpfung angeblicher Terroristen nicht allein auf das pakistanische Militär verlassen wollen. Von »US-Beratern, die pakistanische Truppen bei Patrouillen in Grenzgebieten begleiten«, war zunächst die Rede. »US-Einheiten greifen Al Qaida in Pakistan an«, hieß es tags darauf in der »Washington Post«; an der afghanisch-pakistanischen Grenze würden »verdeckte Operationen« ausgeführt. Umso erstaunlicher ist es, dass darüber so offen berichtet wird. Denn das pakistanische Regime des Generals Musharraf hatte die USA eindringlich darum gebeten, die Präsenz von Washingtoner Truppen wenigstens bis Beginn dieser Woche geheim zu halten. Soll doch heute in einem Referendum über die Verlängerung der Herrschaft Musharrafs um weitere fünf Jahre abgestimmt werden. Die Anwesenheit von USA-Truppen in Pakistan könnte »die politische Unruhe in Pakistan steigern, wo Musharrafs Kriegsunterstützung auf eine beträchtliche Opposition seitens islamischer Parteien stößt«, gab die »Washington Post« die Befürchtung Islamabads wieder. So sollen reguläre USA-Bodentruppen, Sondereinheiten und die Luftwaffe von vier pakistanischen Basen aus agieren. Sprecher des dortigen Militärs bemühten sich um rhetorische Schadensbegrenzung. Allenfalls eine Handvoll US-amerikanischer »Kommunikationsexperten« sei in Pakistan aktiv, wiegelte auch Musharraf ab. In der hiesigen Presse werden dagegen Pentagon-Beamte zitiert, die unverblümt über das Ziel der Operationen sprechen: Es gehe darum, die Neugruppierung von aus Afghanistan geflüchteten Kämpfern der Al Qaida und der Taliban zu verhindern. In Washington befürchtet man, dass die Schneeschmelze Gebirgswege öffnen und das Eindringen von pakistanischem auf afghanisches Gebiet ermöglichen könnte. Pentagon-Chef Donald Rumsfeld hat jetzt während seiner vierten Reise in die Region seit September höchstpersönlich bestätigt, dass die USA die »Bekämpfung des Terrorismus« weiterhin rigoros betreiben werden, selbst um den Preis politischer Destabilisierung eines engen Verbündeten wie Pakistan. »Der Gegner«, so Rumsfeld, werde »vermutlich erneut versuchen, die Übergangsregierung (in Afghanistan, M.B.), andere Gegner im Land sowie amerikanische und Koalitionstruppen anzugreifen.« Rumsfeld soll am heutigen Dienstag wieder in die USA zurückkehren. Er hielt sich in Kirgisien, Kabul und Moskau auf. Wie die »Washington Post« aus dem Grenzgebiet Ghulam Khan auf der afghanischen Seite berichtete, würden die USA dort AH-64-Helikopter einsetzen. Bis zu 1200 US-amerikanische und britische Soldaten seien in den vergangenen Tagen in die Gergerai-Berge geflogen worden. Eine ehemalige, jetzt leer stehende Taleban-Schule in den »tribal areas« sei auf pakistanischer Seite gestürmt worden. Verbündete afghanische Soldaten teilten der Zeitung zufolge mit, dass USA-Truppen auf pakistanischem Territorium Gefangene gemacht hätten, die nach Afghanistan gebracht werden. Offenbar bahnt sich ein größerer Feldzug an. Osama bin Laden und sein Stellvertreter Aiman Sawahiri sollen sich von einem pakistanischen Dorf ins nächste bewegen. US-amerikanische Medien hatten auch von einem Konflikt zwischen Geheimdienstlern und Militärs berichtet. Danach wird den Pentagon-Generälen und insbesondere dem Oberkommandierenden Tommy Franks vorgeworfen, im Höhlensystem Tora Bora, das ab Ende November vergangenen Jahres mit »Wunderwaffen« bombardiert worden war, nicht rechtzeitig Bodentruppen eingesetzt zu haben. So seien der mutmaßliche Chef-Terrorist und ein Großteil seiner Anhänger mit Hilfe afghanischer Stammesführer innerhalb der ersten zehn Tage der Bombardierungen geflohen. Die Schmach, die die USA-Generäle darüber empfinden, soll in den kommenden Tagen - und möglicherweise Wochen - offenbar getilgt werden: durch Angriffe in jenen Gebieten Pakistans, in denen das Musharraf-Regime über wenig oder keine Macht verfügt.
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