Randnote Kolonialismus

Bündnis gedenkt der Opfer der Sklaverei / Gröbenufer wird umbenannt

  • Nissrine Messaoudi
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Zeichen des Kolonialismus müssen weg: Ab heute heißt das Gröbenufer May-Ayim-Ufer.
Die Zeichen des Kolonialismus müssen weg: Ab heute heißt das Gröbenufer May-Ayim-Ufer.

»Es geht nicht um Rache, sondern um Gerechtigkeit«, betonte Moctar Kamara, Vorsitzender des Afrika-Rats Berlin-Brandenburg. Unter dem Motto »125 Jahre Berliner Afrika-Konferenz – erinnern, aufarbeiten, wieder gutmachen«, macht ein Kampagnenbündnis seit Donnerstag in Berlin auf die Verbrechen des Kolonialismus aufmerksam. Die Initiative lädt am heutigen Samstag um 11 Uhr im Zelt des Zirkus Cabuwazi, Eingang Köpenicker Straße 2, zum Festakt ein, bei der das Gröbenufer (benannt nach Otto Friedrich von der Gröben, Sklavenhändler) in Kreuzberg in May-Ayim-Ufer (afrodeutsche Wissenschaftlerin) umbenannt wird. Anschließend soll ab 13 Uhr mit einem Gedenkmarsch an die Opfer von Sklaverei und Kolonialismus erinnert werden.

Bunt, musikalisch, aber vor allem politisch ging es auch in den letzten Tagen in der Werkstatt der Kulturen in Neukölln zu. Menschen aus aller Welt – darunter die Tochter von Malcolm X, Malaak Shabazz – kamen zusammen, um die Geschichte des Kolonialismus aufzuarbeiten und »ein Bewusstsein bei den Berlinern für die Thematik zu schaffen«, sagte Kerstin Liebich, Staatssekretärin für Integration und Arbeit. In den Geschichtsbüchern verkomme die Kolonialzeit und die Folgen für den schwarzen Kontinent zu einer Randnote.

»Nur wenige Berliner wissen, dass vor 125 Jahren die Teilung Afrikas in Berlin beschlossen wurde«, so Liebich. Noch immer fehle es an Anerkennung von Seiten der Politik. Bis heute haben Deutschland und andere ehemalige Kolonialmächte keine Entschuldigung ausgesprochen. Dahinter stecke die Angst vor Forderungen nach Entschädigungszahlungen, meinte Liebich.

Die Ungerechtigkeiten und Morde jener Zeit nur auf Geld zu reduzieren, sei jedoch nicht im Sinne der Opfer, betonte Yonas Endrias, Koordinator des Tribunals, der Deutschland für Verbrechen an der Menschheit anklagt. Ziel des Tribunals ist, eine Charta mit Empfehlungen aufzustellen, wie die betroffenen Regierungen ihre Taten »reparieren« können.

»In der Bundesrepublik herrscht eine selektive Amnesie. Man kann sich aber nicht aussuchen, an welche Taten man gedenken will und an welche nicht«, kritisierte Endrias. Deshalb fordere das Kampagnenbündnis Berlin auf, ein Mahnmal für die Opfer des deutschen Kolonialismus zu errichten. Außerdem müssten rassistische Straßennamen wie Mohrenstraße oder auch Wissmannstraße, in der sich die Werkstatt der Kulturen befindet, (nach Hermann von Wissmann benannt, Kolonialherr) aus Berlin verschwinden. Hannover und Stuttgart haben dies bereits getan, Berlin noch nicht.

Dennoch gab es großes Lob für die Hauptstadt. Der Senat, der die Veranstaltung finanziell unterstützte, erkennt im Gegensatz zur Bundesrepublik seine Verantwortung an. Denn vor 125 Jahren fand die »Afrika-Konferenz« (auch Kongo-Konferenz genannt) in Berlin statt. Der damalige Reichskanzler Otto von Bismarck lud 14 Nationen ein: Deutschland, Belgien, Großbritannien, Frankreich, Spanien, Portugal, Italien, Russland, die Türkei, die USA, Österreich/Ungarn, die Niederlande, Dänemark und Schweden/Norwegen. Diese Kolonialmächte teilten Afrika unter sich auf. Die willkürliche Grenzziehung ist Ursache für viele Konflikte des heutigen Afrikas.

»Ich bin stolz darauf, dass Berlin Gastgeber dieser Veranstaltung ist. Ich wäre allerdings noch stolzer, wenn die Bundesrepublik Gastgeber wäre«, sagte Günter Piening, Integrationsbeauftragter des Senats. Die Initiative entfache eine neue und wichtige Debatte um die Vergessenskultur des kollektiven Gedächtnisses. »Das ist die Grundlage für ein gerechtes Zusammenleben in unserer Stadt.«

www.afrika-rat.org

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