Isländer stimmten gegen den »Raub«

Wähler lehnten Abkommen zur Entschädigung ausländischer Einleger der Icesave-Bank ab

  • Thomas Hug, Oslo
  • Lesedauer: 2 Min.
Die Isländer haben fast einstimmig das Icesave-Abkommen abgelehnt. Dieses Abkommen mit Großbritannien und den Niederlanden hätte die Entschädigung von Kunden einer isländischen Internetbank geregelt.

»Das ist unfair, das ist Raub«, sagte eine junge Isländerin, die am Samstag vor dem Parlament (Alltinget) in Reykjavik demonstrierte. Sie drückte damit aus, was viele Isländer denken. Mit Plakaten und mit Kochtöpfen als Trommeln gaben sie ihrem Missfallen zum Rückzahlungsabkommen für die Icesave-Gelder Ausdruck.

Das Resultat der Volksabstimmung zum Icesave-Abkommen, das am selben Tag stattfand, ist denn auch eindeutig: Über 93 Prozent der Isländer verwarfen ein Abkommen für die Rückzahlung der Icesave-Gelder. Nahezu 5 Prozent stimmten darüber hinaus noch leer.

Das Abkommen hätte regeln sollen, wie die rund 3,8 Milliarden Euro, die beim Konkurs der Internetbank Icesave 2008 verloren gegangen waren, hätten zurück bezahlt werden können. Großbritannien und die Niederlande hatten die verlorenen Ersparnisse ihren Einlegern erstattet, wollen aber diesen Betrag nun von Island wiederhaben.

Die isländische Regierung hatte mit Großbritannien und den Niederlanden ein Abkommen ausgehandelt, wie diese Icesave-Schulden getilgt werden können. Der isländische Präsident Olafur Ragnar Grimsson hatte sich aber Anfang 2010 geweigert, das Gesetz zu unterzeichnen, und der Bevölkerung zur Abstimmung vorgelegt.

Die Abstimmung richtete sich auch gegen Spekulanten und Krisengewinnler im eigenen Land. Die »Finanzfürsten«, gut unterstützt vom politischen Establishment, profitierten vor dem Zusammenbruch von einem gigantischen finanziellen Karussell. Als dann im Oktober 2008 die große Krise kam, setzten sich die Spekulanten elegant mit ihren Gewinnen ab und überließen dem isländischen Volk die Rechnung. Die Icesave-Abstimmung war nun die Gelegenheit, um diesen Unmut politisch auszudrücken.

Gleichzeitig sind sich die meisten Isländer schmerzlich bewusst, dass sie die Gelder schlussendlich doch zurückzahlen werden müssen. Der Betrag wird allerdings nicht mehr ganz so drastisch hoch ausfallen, da die Bank in London über eine große Konkursmasse verfügt, die zur Rückzahlung eingelöst werden kann.

Durch das Nein von Samstag könnten aber wichtige Kredite des Internationalen Währungsfonds und nordischer Nachbarländer verzögert werden. Island ist auf diese Kredite zur Stimulierung der Wirtschaft angewiesen.

Auch für die Beitrittsverhandlungen zur Europäischen Union könnte die Ablehnung des Abkommens negative Folgen haben – Großbritannien und die Niederlande müssen den Verhandlungen zustimmen.

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