Mädchen und Monster

Heimathafen Neukölln zeigt mit »Sisters« das Drama einer jungen Frauenbande

  • Lucía Tirado
  • Lesedauer: 3 Min.
Suchen ihr Heil in der Gewalt: Miriam und Claudia
Suchen ihr Heil in der Gewalt: Miriam und Claudia

Keilerei vor der Gesamtschule. Miriam schlägt sich mit einem Jungen, der frech geworden ist. Der steht so schnell nicht wieder auf. Die Mitschülerinnen bewundern, dass sie es dem Angrapscher mal gezeigt hat. Auch Claudia, die aus Charlottenburg kommt und die Schule nun besucht, um das berüchtigte Neukölln kennen zu lernen, hält sich mit lobenden Worten nicht zurück. Sie ist es dann auch, die Miriam überredet, dass sie zusammen mit anderen Schülerinnen eine Mädchen-Gang gründen sollten. Die »Sisters« nehmen zusammen den Kampf gegen die Jungs auf.

Das Drama nimmt seinen Lauf im zweiten Teil der Neukölln-Trilogie in der Regie von Nicole Oder. Der erste Teil »Arabboy – Das kurze Leben des Rashid A.«, für den die in Neukölln lebende Regisseurin den Text schrieb, sorgte bereits für viel Aufmerksamkeit. Das zweite Stück schrieb Andrea Clucerescu. Nur mit ein paar Utensilien wird das Studio im Heimathafen Neukölln zu Straße und zwei Wohnungen. Ein Blick in die Lebenswelt der beiden Mädchen lässt ihre Motive erkennen.

Miriam, gespielt von Katrin Hansmeier, lebt in Neukölln mit ihrer Mutter zusammen. Das Mädchen ist voller Wut. Es trauert um ihren tödlich verunglückten Vater und sucht vergeblich Hilfe bei der Mutter. Die jedoch wird mit dem Schmerz selbst nicht fertig und ist Alkoholikerin geworden. Es gibt für Miriam nichts zu essen, nichts zu trinken, nur die besoffene Mutter. Als diese wankt Sascha Ö. Soydan über die Bühne.

Für Claudia (Pegah Ferydoni) wiederum, die von Miriam wegen ihres Wohnorts Charlotte genannt wird, hat diese Neukölln-Sache den Charakter einer Studie. Aus guten Verhältnissen kommend – wenn man mal von der fast ständigen beruflich bedingten Abwesenheit der Eltern absieht – reagiert sie aus einem doch behüteten Umfeld aus.

Die »Sisters« trainieren Gewalt fürs Keilen, vor allem Schläge unter die Gürtellinie. Sie haben ihr Feindbild, und eine andere Art der Auseinandersetzung kommt für sie nicht mehr in Frage. Da ist nur Angriff, nicht Selbstverteidigung. Sie werden zur gefürchteten Gang und betrachten sich als die Größten, die auf alles und jeden nach Lust und Laune losprügeln können. Sie fühlen sich im Recht, mal als Mädchen, mal als Monster.

Letztlich fordert das alles eine kokurierende Mädchen-Gang heraus, die sich auch für unschlagbar hält. Miriam und Claudia rufen zur großen Schlacht. Die beiden sind längst gute Freundinnen. Miriam trifft in der Charlottenburger Wohnung auf Claudias Bruder Tom (Sinan Al-Kuri). Sie verliebt sich, erlaubt sich Schwäche und wird prompt verletzt. Doch wie löst man Konflikte mit einem Jungen, wenn man bereits alle Grenzen überschritten hat?

Das Stück ist gut geschrieben und schnörkellos inszeniert, wie es den verhängnisvollen Weg dorthin zeigt. Es dürfte Jugendlichen gefallen. Schauspielerische Besetzung und Spiel sind zweifellos überzeugend. Um an Requisiten und Kostüm in der Ausstattung von Wiebke Meier zu kommen, verlassen die Darsteller den Raum nicht. All das wird in der ersten Zuschauerreihe erledigt.

12.–14.3., 20.30 Uhr, Heimathafen Neukölln, Studio, Karl-Marx-Str. 141, Neukölln, Tel.: 56 82 13 33, www.heimathafen-neukoelln.de

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