Poker mit Abstandsgebot

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 2 Min.

Mit erbitterten Streiks und jeder Menge Getöse hat sich die Ärztegewerkschaft Marburger Bund (MB) in den letzten Jahren tarifpolitisch selbstständig gemacht. Durch Zurückhaltung sind die Klinikmediziner in dieser Zeit nicht aufgefallen. Um die zehn Prozent lautete jeweils die Forderung der Truppe, deren Schlagkraft im »Unabhängigkeitskampf« von 2006 allen Beteiligten noch gut erinnerlich ist.

Diesmal hat der MB nur fünf Prozent mehr Gehalt gefordert – und trotzdem mauert der Verband der Kommunalen Arbeitgeber (VKA) bisher komplett. Man sei »meilenweit auseinander«, lässt der VKA wissen. Vielleicht spricht Siegesgewissheit aus der konfliktiven Strategie der kommunalen Verhandler. Für die nicht-ärztliche Kommunalbediensteten hat ver.di dieses Jahr sogar acht Prozent gefordert – und 2,3 bekommen. Angesichts von Steuerausfällen und Mehrkosten haben die Kommunen nichts zu verschenken.

Doch die Verhandlungsposition der Ärzte ist außerordentlich gut: Allein auf 5000 im Augenblick unbesetzte Arztstellen kann MB-Chef Rudolf Henke am Verhandlungstisch verweisen. Seit dem Verbot von Mehrfachschichten sind Klinikärzte mehr als gefragt; in Fächern wie der Anästhesie ist längst ein Wanderarzt-Wesen überregional mobiler Mediziner entstanden, in dem auf Honorarbasis ohnehin weit mehr verdient werden kann als in der Festanstellung. Die Kommunen müssten um die Ärzte »werben«.

Aber nicht nur wegen seiner vermeintlich besseren Karten musste Henke den auf Schlichtung basierenden Abschluss des früheren Tarifgemeinschaftspartners als möglichen Orientierungspunkt weit von sich weisen. Noch auf Jahre, ganz besonders aber bis zum allgemein mit Spannung erwarteten Urteil des Bundesarbeitsgerichtes über die »Tarifeinheit«, wird der MB in jedem Vertrag seine Unabhängigkeit dokumentieren müssen. Besonders gegenüber den ver.di-Resultaten gilt eine Art Abstandgebot: Ein Prozent mehr sollte es schon sein.

Insofern ist die Lage auch für MB-Chef Henke nicht einfach: Ausgangslage und Organisationsräson fordern eher vier als drei Prozent – und so breit ist der Korridor ja nicht zwischen dem ver.di-Ergebnis und der MB-Forderung.

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