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Kindersoldaten?

DIE KADETTENSCHULE VON NAUMBURG

  • Siegfried Prokop
  • Lesedauer: 2 Min.

Von 1956 bis 1961 besuchten die Kadettenschule (KS) der NVA in Naumburg etwa 400 Kinder und Jugendliche im Alter von 11 bis 18 Jahren. Die Führung der Schule lag in den Händen von Generalmajor Paul Blechschmidt (1907-1961), der von Beruf Volksschullehrer war. »Blechpaule«, wie er auch genannt wurde, war bei den Kadetten sehr beliebt.

Die Naumburger Schule war als allgemeinbildende Mittel- und Oberschule konzipiert, deren Aufgabe darin bestand, mit dem Nachweis eines Minimums an militärischen Grundkenntnissen zum Abitur zu führen. Die Kadetten erwarben mit dem Abschluss der Schule keinen militärischen Rang. Erst nach Abschluss der Kadettenschule wurde ein Truppenpraktikum mit anschließendem Besuch einer Offiziersschule vorgesehen. Damit unterschied sich die Naumburger Schule deutlich von den Anstalten königlich-preußischer Prägung, die zur Primareife und zum Fähnrichsexamen geführt hatten.

Lapp würdigt diesen von den Gründern sehr wohl bedachten konzeptionellen Unterschied nicht. Er hält es im Gegenteil für einen »schweren konzeptionellen Fehler«, dass die Naumburger Kadettenschule der NVA in den Vordergrund den normalen Schulunterricht und nicht die militärische Ausbildung rückte. Zum Beweis für seine These führt er an, dass etwa 65 Prozent der Absolventen sich für zivile Berufe entschieden. Sie wurden Ingenieure, Ökonomen, Pädagogen, Juristen, Mediziner oder Psychologen und in einem Fall Pfarrer. Damit waren aber die Erwartungen, dass die Kadettenschule Naumburg als »Kaderschmiede für den Führungsnachwuchs« der NVA fungiert, nicht erfüllt. Diese Erwartungen konnten auch deshalb nicht erfüllt werden, weil die Schülerzahl von Anfang an zu niedrig gehalten und die Nachwuchsbildung nicht von vornherein auf die Landstreitkräfte, die den größten Bedarf hatten, zugeschnitten wurde.

Am 17. Mai 1960 fasste das Politbüro der SED den Beschluss, dass die Kadettenschule mit Beendigung des Schuljahres 1960/61 ihre Unterrichtstätigkeit einstellt. Bis heute finden sich Absolventen der KS Naumburg zu Klassentreffen zusammen.

Die Naumburger Kadettenschule blieb zu DDR-Zeiten ein Tabu und bis zur Veröffentlichung der vorliegenden Studie ein »Weißer Fleck« in der deutschen Militärgeschichtsschreibung.

Peter Joachim Lapp: Schüler in Uniform. Die Kadetten der Nationalen Volksarmee. Helios Verlag, Aachen. 70 S., geb., 16,50 €.

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