Provinz im Größenrausch

Nur Berlin und Hamburg sind derzeit noch größer als Möckern oder Zerbst in Sachsen-Anhalt

  • Harald Lachmann
  • Lesedauer: 2 Min.
Die Gemeindestrukturreformen sorgen immer wieder für Überraschungen: Durch die Zusammenschlüsse von Kommunen sind etliche Provinzstädte inzwischen flächenmäßig deutlich größer als manche Großstadt.

Sachsen-Anhalt erlebt gerade einen bizarren Wettbewerb: Welches ist die größte Stadt im Land? Lange war es Jessen bei Wittenberg, nicht einmal mehr Kreissitz, aber mit 314 Quadratkilometern Fläche größer als Köln oder Dortmund. Stolz präsentierte Dietmar Brettschneider (CDU) seine 30 Stadtteile – zuweilen freilich nur Dörfchen tief im Wald, die man peu à peu eingemeindet hatte. 2009 wuchs die 15 000-Seelen- Stadt im Zuge der momentanen Gemeindegebietsreform noch um weitere Umlandgemeinden auf nun sogar 326 Quadratkilometer.

Dennoch rutschte Jessen im Ranking ab. Neuer Spitzenreiter ist Möckern, mehr Dorf als Stadt im Dunstkreis von Magdeburg. Durch freiwillige Zusammenschlüsse schwoll es auf 26 Ortsteile an. Deren 14 184 Einwohner verstreuen sich über 518 Quadratkilometer.

Und dann Gardelegen

Damit ist Möckern sogar bundesweit die Nummer drei in puncto Ausdehnung. Nur die Stadtstaaten Berlin und Hamburg stehen mit 892 beziehungsweise 755 Quadratkilometern noch vor Möckern. Die Landeshauptstadt Magdeburg schafft es dagegen nur auf Rang 91, Sachsen-Anhalts einwohnerstärkste Stadt Halle nicht einmal unter die Top 100. An Jessen zog nun auch die Stadt Zerbst vorbei. Deren nunmehr 59 Ortsteile erstrecken sich über 467 Quadratkilometer, womit man national derzeit auf den vierten Rang kommt. Doch Gardelegen in der Altmark, mit 250 Quadratkilometern vorerst landesweit nur Zehnter, könnte sie noch alle übertrumpfen. Denn das Magdeburger CDU/SPD-Kabinett brachte jetzt Gesetze auf den Weg, die für Orte, die nicht freiwillig fusionieren wollen, bis Ende 2010 eine Zwangseingemeindung vorsieht. Für die Stadt Gardelegen würde sich die Zahl ihrer Ortsteile – bisher 18 – glatt verdoppeln, die Fläche würde auf 632 Quadratkilometer anwachsen.

Mit der Gemeindegebietsreform will Sachsen-Anhalt seine zuvor 1043 selbstständigen Orte aus administrativen wie aus Kostengründen zu 219 Einheitsgemeinden verdichten. Das Bundesland ist damit nun gleich 21 Mal unter den hundert flächengrößten deutschen Kommunen vertreten. Getoppt wird dies nur von Brandenburg mit 32 Kommunen. Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen folgen mit je 14 Nennungen.

Der Westen abgeschlagen

Das benachbarte Sachsen hat gegen diesen Gigantismus keine Chance. Lediglich Dresden (10.) und Leipzig (19.) schaffen es mit 328,30 beziehungsweise 297,36 Quadratkilometern ins erste Fünftel, Chemnitz (61.) und die Industriegemeinde Boxberg in der Oberlausitz (65.) zumindest noch unter die hundert Großen. In Thüringen sind es gar nur zwei Städte: Erfurt (29.) mit 269,12 Quadratkilometern und die Kyffhäuser-Kreisstadt Sondershausen (92.).

Kaum vertreten ist Baden-Württemberg. Nur Stuttgart bringt es mit bescheidenen 207,36 Quadratkilometern unter die hundert Großen – auf Rang 82. Bayern ist zumindest fünfmal vertreten. Neben München auf Platz 15 mit gut 310 Quadratkilometern sind das noch Lenggries (43.), Oberstdorf (51.), Grafenwöhr (67.) und Garmisch-Partenkirchen (85.).

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