Rote Ritter gegen rote Zahlen

Millionäre und Fans wollen gemeinsam Besitzer von Manchester United zum Verkauf bewegen

  • Reiner Oschmann
  • Lesedauer: 3 Min.

In England bahnt sich derzeit eine ungewöhnliche Partnerschaft an. Im Zentrum steht einer der teuersten Fußballvereine der Welt, und den wollen sich mehrere Millionäre sowie 130 000 nicht ganz so flüssige Fans von Manchester United unter den Nagel reißen.

Der Klub war vor fünf Jahren von der US-Millionärsfamilie Glazer mit Darlehen gekauft worden, die sofort auf den Verein zurück übertragen worden waren. Die Übernahme von ManU durch Glazer hat dazu beigetragen, dass einer der erfolgreichsten auch einer der höchst verschuldeten Vereine blieb. Auf rund 800 Millionen Euro beziffern sich die Verbindlichkeiten des Klubs, in dem so große Spieler wie Bobby und Jack Charlton, Cantona, van Nistelrooy, Ronaldo, Beckham und Rooney kick(t)en.

Die Schulden und die Vorstellung, ihren Klub in US-amerikanischer Hand zu wissen, hat den meisten Fans vom ersten Tag an missfallen. ManU in amerikanischem Besitz erscheint ihnen so unnatürlich wie eine englische Elf, die im Elfmeterschießen siegt. Auch die Tatsache, dass Vereine wie Manchester kapitalistische Geldmaschinen mit angeschlossener Fußballelf sind, in der die wenigsten Spieler aus England, noch weniger aus Manchester kommen und romantische Anhänglichkeit an den Ortsverein insofern seltsam anmutet, trägt wenig zur Beruhigung der Fußballseelen bei.

Vielmehr fühlen sie sich angestachelt, seit vor wenigen Wochen eine Gruppe mit dem Fabelnamen Red Knights (Rote Ritter) ihre Absicht verkündete, die Glazer-Familie auszuzahlen. Die »Ritter« sind keine Robin Hoods, sondern 60 bis 70 Millionären, die ManU kaufen, die wirtschaftliche Basis »gesunden« und die »Anhänger in den Mittelpunkt« stellen wollen. Galionsfiguren, nicht eben Volkstribune, sind Goldman-Sachs-Chefökonom Jim O'Neill und Hedgefonds-Manager Paul Marshall. Sie haben Japans größte Investmentbank Nomura verpflichtet, den »Erwerb von United« für 1,5 Milliarden Euro oder mehr voranzutreiben.

Diese Aktivität auf Nadelstreifen-Ebene fällt zusammen mit einer utopisch-sozialistischen Fanbewegung, die sich allein von der Aussicht mobilisieren lässt, ihren Verein aus den Händen der Glazers zu reißen. Engagement im Bund mit Naivität und Romantik: ein Märchen aus dem Fußballbilderbuch.

Diese vorläufig bloße Hoffnung – die Glazers bekräftigten mehrfach, nicht verkaufen zu wollen – hat zu enormem Zulauf des Fan-Verbands Manchester United Supporters Trust (MUST) geführt: Aus 30 000 gelisteten Anhängern sind in wenigen Tagen 131 000 geworden. Die Zahl dürfte weiter steigen, seit beim 4:0-Champions-League-Heimsieg gegen AC Mailand vorige Woche im Old-Trafford-Stadion der Protest gegen die US-Eigner auf internationale Bühne gehoben wurde. Millionen in aller Welt sahen die Ränge statt im Manchester-Rot in einem Meer aus Grün und Gold – die Farben des Newton Heath Lancaster and Yorkshire Railway Football Club, aus dem vor 108 Jahren Manchester United hervorgegangen war.

Gerührt und elektrisiert waren die Anhänger, als sich der ehemalige ManU-Star David Beckham, derzeit bei AC Mailand, nach Spielende mit grün-gelbem Schal zeigte und so den Protest zu weihen schien. MUST will Beckham nun für die Red Knights gewinnen. Mindestens zwei Eigenschaften empfehlen ihn: Ein bekannteres Gesicht als seines ist kaum denkbar. Und mit einem geschätzten Vermögen von ihm sowie Ehefrau Victoria von 125 Millionen Pfund erfüllt Beckham auch die Erwartungen der Fußball-Ritter.

App »nd.Digital«

In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal