Blitze aus der Erde

Forscher weisen erstmals Geo-Neutrinos nach

  • Martin Koch
  • Lesedauer: 2 Min.

Nicht nur am Europäischen Kernforschungszentrum CERN bei Genf betreibt man aufwändige Elementarteilchenphysik. Auch in Italien gibt es ein imposantes unterirdisches Physiklabor: das »Laboratori Nazionale del Gran Sasso« (LNGS). Als dessen Herzstück gilt der sogenannte Borexino-Detektor, der rund 300 Tonnen einer organischen Flüssigkeit enthält. Diese schwebt als 8,5 Meter große Kugel in einem Wassertank, der sich im Gran-Sasso-Massiv unter mehr als 1000 Metern Gestein befindet.

Ursprünglich war der Detektor zum Nachweis von Sonnenneutrinos entwickelt worden, für deren Existenz er seit 2007 überzeugende Belege liefert. Jetzt aber habe man in der Flüssigkeit erstmals Geo-Neutrinos entdeckt, berichten LNGS-Forscher im Fachblatt »Physical Letters B« (vorab online: arxiv.org/abs/1003.0284). Geo-Neutrinos entstehen nach der Theorie beim Zerfall radioaktiver Isotope im Erdinnern und treten mit Materie höchst selten in Wechselwirkung. Kollidiert ein Geo-Neutrino doch einmal mit einem Proton, werden ein Anti-Elektron und ein Neutron freigesetzt. Fände nun ein solcher Zusammenstoß im Borexino-Detektor statt, würden die entstehenden Teilchen in der Flüssigkeit Lichtblitze erzeugen, die mit Photovervielfachern leicht einzufangen wären.

Von 2005 bis 2007 ist es den LNGS-Forschern gelungen, 21 Lichtblitze nachzuweisen, deren Intensität zu einem Anti-Neutrino aus dem Erdinnern passt. Zwar gibt es noch gewisse experimentelle Unsicherheiten. Gleichwohl ist das Signal-Rausch-Verhältnis rund hundert Mal besser als bei einem ähnlichen Experiment in Japan, das 2004 erste vage Belege für die Existenz von Geo-Neutrinos erbracht hatte.

Die Forscher ordnen die jetzt registrierten Geo-Neutrinos dem radioaktiven Zerfall von Uran und Thorium zu und folgern aus ihren Daten, dass die Radioaktivität erheblich, wenn nicht sogar überwiegend zur inneren Aufheizung der Erde beiträgt. Die dabei erzeugte Leistung liegt bei etwa 40 Terawatt. Die Hitze im Erdinnern sorgt unter anderem für Konvektionen im Erdmantel und beeinflusst so die vulkanischen Aktivitäten sowie die Plattentektonik. Außerdem treibt sie den Geodynamo an, der das irdische Magnetfeld erzeugt.

In einigen Theorien wird die »Erdheizung« vor allem auf einen natürlichen Kernreaktor im Erdzentrum zurückgeführt. Sollte ein solcher tatsächlich existieren, käme er als maßgebliche Energiequelle allerdings nicht in Frage. Denn ausgehend von dem jetzt gemessenen Fluss von Geo-Neutrinos dürfte seine Leistung drei Terawatt kaum überschreiten.

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